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Aufs Pferd gekommen

Die Elektrotherapie ist ein Fachgebiet des Medizintechnikherstellers Haynl-Elektronik GmbH aus Schönebeck. Als Partner des Forschungsbündnisses "HorseVetMed" setzt das Unternehmen diese Kompetenzen jetzt auch im Veterinärbereich ein.

Seine Beschäftigung mit lahmenden Pferden war zunächst geschäftlich motiviert, habe ihm aber einen ganz neuen Blick auf die Tiergesundheit verschafft, sagt Carsten Hentzsch von der Haynl-Elektronik GmbH Schönebeck. Das sachsen-anhaltische Unternehmen hat sich auf dem Medizintechnikmarkt im Humanbereich etabliert, stellt unter anderem Elektrotherapiegeräte für den Heimgebrauch her. Für die Schlaganfalltherapie hat es zum Beispiel einen Stimulator für einen Handschuh entwickelt, der die Neuroplastizität anregt, also die Fähigkeit der Synapsen, sich zu verbinden. Als einer der drei Geschäftsführer ist Hentzsch mit ständiger Marktanalyse beschäftigt. Sich mit seinen Produkten zu behaupten, bedeute, immer am Puls der Zeit zu sein, sagt der Verantwortliche für Forschung und Entwicklung. Wie ist er da aufs Pferd gekommen?

Hentzsch erzählt von seinem Elektrotechnik- und Medizintechnik-Studium an der Hochschule Anhalt in Köthen. Erhalten geblieben ist der Kontakt zu seinem Dozenten Wolfgang Weinert. Der Professor für Biomedizinische Automatisierung ist passionierter Reiter und Mitinitiator der Wachstumskern-Potenzial-Initiative „HorseVetMed – Telemetrische Veterinär-Medizintechnik“. Das Bundesforschungsministerium sieht hinreichend Förderpotenzial auf diesem Gebiet, denn die Entwicklung der Telemedizin im Veterinärbereich steckt erst in den Kinderschuhen.

EMG-Messgerät am Pferderücken
Die Sensoren der Haynl-Elektronik GmbH können Signale von der Hautoberfläche empfangen, ohne dass das Fell des Pferdes rasiert wird. © PRpetuum GmbH

Digitale Diagnose

Für Haynl-Elektronik ist die Entwicklung von Medizintechnik fürs Pferd ein unternehmerischer Vorstoß in ein neues Themengebiet, auch verbunden mit einer Bewusstseinserweiterung. „1997 wurde von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten festgelegt, dass Tiere als fühlende Wesen anerkannt werden und ihnen keine vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zugefügt werden dürfen. Und seit 2002 steht der Tierschutz als Staatsziel im deutschen Grundgesetz“, sagt Hentzsch. Vor diesem Hintergrund entwickelt HorseVetMed die Technologieplattform für ein modernes digitales Diagnose- und Therapiesystem für Großtiere. Die Haynl-Elektronik GmbH bringt dabei ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Neurophysiologie ein. Da das Anbringen von Elektroden und deren Verkabelung bei Großtieren schwierig ist, entwickelt das Unternehmen eine telemetriefähige Sensorik für die sogenannte Elektromyografie (EMG), mit der sich die Muskelaktivität messen lässt. Auch die Muskeln vom Pferd erzeugen elektrische Signale auf der Hautoberfläche. Diese lassen sich mit EMG-Geräten erfassen. „Aus den Muskelkontraktionen können Rückschlüsse auf Schmerzen gezogen werden“, sagt Hentzsch.

Manager und Agenten

Wenn es um die drahtlose Übertragung der Daten geht, spricht Hentzsch von den „Agenten“, das sind die Sensoren. Die verbinden sich mit dem „Manager“, der zentralen Leitstelle. Dort werden die Signale verarbeitet und per Funk auf einen Diagnoseserver übertragen, wo sie dann als Zahl oder Grafik zu sehen sind. Die besondere Herausforderung: „Sensoren, die in der Lage sind, Signale von der Hautoberfläche zu empfangen, ohne dass das Fell des Pferdes rasiert wird, sind hochsensibel und somit auch sehr störanfällig“, sagt Hentzsch und erklärt, dass es im weiteren Projektverlauf um die Entwicklung verlässlicher Algorithmen gehe.

Zudem befasst sich die Haynl-Elektronik GmbH damit, die Elektroden in flexible Leiterbahnen einzusetzen. Eingearbeitet etwa in intelligente Pferdetextilien könnten sie auch auf weite Entfernung Daten über den Gesundheitszustand des Pferdes übermitteln, beispielsweise beim Distanzreiten. Im Januar 2018, sagt Hentzsch, werde sich HorseVetMed auf dem 9. Leipziger Tierärztekongress vorstellen. Das Bündnis rechnet mit wertvollen Impulsen für seine weitere Arbeit.

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