Bezahlbar wohnen und Klima schützen

Ist es möglich, ältere Wohnquartiere so zu sanieren, dass sie sich selbst mit erneuerbaren Energien versorgen können und die Mieten moderat bleiben? Der Thüringer Wachstumskern smood ist überzeugt davon, dass das geht. 

„Wir wollen nicht nur Geld verdienen, sondern auch Gutes tun“, sagt Kersten Roselt, der unternehmerische Sprecher des Wachstumskerns und einer der Geschäftsführer des Ingenieurbüros JENA-GEOS. Klar, schließlich ist die energetische Sanierung von Wohnhäusern nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Energiewende und damit auch zum Klimaschutz, sondern kurbelt gleichzeitig die Konjunktur an. „Der Weg aus der Krise werden nachhaltigkeitsgetriebene Projekte sein“, so Roselt. „Keine neuen Öl- oder Gaskessel in den Quartieren.“ Die Bewohner sind dabei die Nutznießer. Sie gewinnen und beziehen ihre Energie direkt im Viertel, also dezentral, aus erneuerbaren Quellen und zahlen keinen Cent mehr Miete als vorher – so die Vision des Wachstumskerns smood.

Grafik Bestandsaufnahme
Digital und Lokal: Bestandsaufnahme mit Drohnen, erneuerbare Energien aus Boden und Sonnenlicht, Speicherung und Nutzung vor Ort – so sieht das Quartier der Zukunft aus. © Wachstumskern smood

Erneuerbar und maßgeschneidert

Smood steht für Smart Neighborhood. Das heißt, Wohnquartiere sollen mithilfe intelligenter Technologien ihren gesamten energetischen Bedarf aus lokal eingespeisten erneuerbaren Energien decken. Wie lässt sich das umsetzen? Der Wachstumskern entwickelt ein umfassendes Paket, das schon bei der Bestandsaufnahme der Wohnhäuser und der Planung des energetischen Umbaus beginnt. Zur Energiegewinnung soll neben der Photovoltaik auch die oberflächennahe Geothermie zum Einsatz kommen. Die Thüringer testen dafür bereits eine neue Technik, mit der sie horizontal unter Bestandsgebäuden bohren können. „Auch für die Wärmespeicher wollen wir geologische Strukturen unter den Gebäuden nutzen“, sagt Kersten Roselt. Für die dezentrale Stromgewinnung sind neuartige, komplett recycelbare Natrium-Nickel-Chlorid-Batterien als sogenannte Quartiersspeicher geplant.

Zelle der neu entwickelten Batterie
Lokale Rohstoffe und recyclingfähig: Das ist die Zelle der neu entwickelten Batterie, die aus herkömmlichem Kochsalz und Nickelpulver sowie einem Kern aus spezieller Keramik besteht. © Fraunhofer IKTS

„Wir wollen die Energie optimal nutzen, am besten vor Ort“, sagt Peter Bretschneider, stellvertretender Direktor des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Systemtechnik und wissenschaftlicher Sprecher von smood. „Dafür treiben wir das Thema Digitalisierung im Quartier voran“, so Bretschneider. „Über Sensoren, Datenerfassung und -verwaltung sowie mit intelligenter Vorhersage und Optimierung wollen wir jederzeit eine ökonomisch und ökologisch optimale Energieversorgung sicherstellen. Wir greifen da schon auf einen hohen Erfahrungsschatz zurück und überführen das jetzt in den Quartiersmaßstab.“

Regional? National? International!

Nach einer ersten Entwicklungsphase will das smood-Team verschiedene Technologien in Thüringer Quartieren testen, um sie später deutschlandweit nutzen zu können. 300.000 Wohnquartiere brauchen hierzulande eine energetische Sanierung. Da stellt sich die Frage: wo beginnen? „Unsere Strategie ist, nicht dort anzufangen, wo es energetisch am notwendigsten ist, sondern dort, wo motivierte Menschen wohnen“, sagt Kersten Roselt. Und Peter Bretschneider ergänzt: „Wir wollen den positiven Nutzen, auch wirtschaftlich, unter Beweis stellen, dann lassen sich schneller Nachahmer finden.“ Mit ihrem Plan, die Energiewende und bezahlbares Wohnen unter einen Hut zu bekommen, will smood einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland leisten. Und die Thüringer Ideen wecken sogar internationales Interesse. Bei der Weltausstellung in Dubai, die aufgrund der Corona-Pandemie erst 2021 stattfindet, wird im Deutschen Pavillon das smood-Modell für den energetischen Quartiersumbau zu sehen sein.

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