Das Abenteuer Forschung

Am ZIK „HALOmem“ gründete Kirsten Bacia als Juniorprofessorin eine Nachwuchsgruppe. Jetzt hat die Biochemikerin für ihre wissenschaftlichen Leistungen in der Proteinforschung eine W2-Professur für Biophysikalische Chemie an der Uni Halle erhalten.  

Egal, wo man auf dem Weinberg-Campus in Halle unterwegs ist: Die Großbaustelle für das Proteinzentrum ist immer in Sicht. Die Proteinforschung – längst ein Aushängeschild der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ein Lockmittel für Wissenschaftler aus aller Welt – bekommt hier ein eigenes Haus. Grundsteinlegung war im Dezember 2014. „Wir waren schon früh in die Planung involviert und konnten auf die Raumaufteilung Einfluss nehmen“, erzählt die Wissenschaftlerin Kirsten Bacia. Mit „wir“ meint sie das ZIK HALOmem. Das Zentrum für Innovationskompetenz „Struktur und Dynamik von Membranproteinen“ gehört selbstredend mit hinein in dieses Forschungsgebäude.

Kirsten Bacia freut sich über den Ruf auf eine W2-Professur und die geplante Förderung von zwei neuen Nachwuchsgruppen im ZIK HALOmem. (Foto: BMBF/Unternehmen Region/Thilo Schoch) 
Kirsten Bacia freut sich über den Ruf auf eine W2-Professur und die geplante Förderung von zwei neuen Nachwuchsgruppen im ZIK HALOmem.   © BMBF/Unternehmen Region/Thilo Schoch

2009 war Kirsten Bacia an die Uni Halle gekommen und gründete am ZIK HALOmem die Nachwuchsforschungsgruppe „Biophysikalische Chemie von Membranen“. 2012 wurde sie zur Juniorprofessorin ernannt. Jetzt schreiben wir das Jahr 2015. Gerade hat das ZIK vom Bundesforschungsministerium die Förderzusage für weitere fünf Jahre erhalten. Auch die Arbeitsgruppe von Kirsten Bacia besteht weiter.

Geheimnisvolle Transportwege

Ein Tag im Mai 2015 am ZIK HALOmem: Eben ist ein Seminar zu Ende gegangen. Einige Teilnehmer treten gemeinsam den Gang in die Mensa an. Ihre Gedanken kreisen um Proteine, aber nicht um die auf dem Teller. Es geht hier nicht um Ernährungswissenschaften, sondern darum, welche Maschinerie in Gang gesetzt wird, wenn Eiweißmoleküle zusammen mit Membranen kleine kugelförmige Behälter bilden und diese sogenannten Vesikel ihrerseits Proteine transportieren. Vieles, was dann auf den Transportwegen passiert, ist noch ein Geheimnis.

In einem Extruder werden Modellmembranen hergestellt. (Foto: PRpetuum GmbH)
In einem Extruder werden Modellmembranen hergestellt. © PRpetuum GmbH

Kaum zu glauben: Menschen fliegen ins Weltall, leben dort über Monate. Aber wie menschliche Proteinmoleküle funktionieren, ist noch nicht hundertprozentig erforscht. Wenn Kirsten Bacia über ihr Aufgabengebiet spricht, ist ihr anzumerken: Sie muss nicht ins Weltall fliegen, um Abenteuer zu erleben. Es ist auch nicht entscheidend, ob das Abenteuer gerade in Hannover stattfindet (Studium) oder Baltimore (Masterabschluss in Biophysik), wieder in Hannover (Diplom in Biochemie), in Dresden (Promotion) oder in Berkeley (Forschungsaufenthalt) – wenn es um Proteine geht, spezieller noch um Membranproteine, ist das Aufregung genug. Membranproteine regulieren an allen Zellhüllen in unserem Körper den Austausch von Stoffen und Informationen. „Weltweit wollen Wissenschaftler den ,Normalbetrieb‘ verstehen. Erst wenn man den kennt, kann man Abweichungen erkennen“, sagt die Biochemikerin und fügt hinzu, dass die Pharmazie längst Membranproteine in ihren Fokus genommen hat. Auf deren Veränderungen könnten viele Krankheiten, zum Beispiel Diabetes oder Alzheimer, zurückzuführen sein.

Forschen im Grünen

Je umfangreicher Struktur und Dynamik der Membranproteine aufgeklärt sind, desto mehr lässt sich die Zeit für die Entwicklung gezielter Wirkstoffe verkürzen. Derzeit dauern Zulassungsverfahren für neue Medikamente noch zehn Jahre und länger. Ziel der Nachwuchsgruppe von Kirsten Bacia war und ist es, effiziente Methoden zu entwickeln, mit denen sich in den entsprechenden Versuchsreihen Zeit, Material und somit auch Kosten sparen lassen.

Spannende Grundlagenforschung, für die in Halle beste Bedingungen geschaffen werden. Auch der Weg zur Mensa führt an der Baustelle für das Proteinzentrum vorbei. Seit dem 1. Februar 2015 steht fest, dass Kirsten Bacia als Professorin in das Forschungsgebäude mit einziehen wird. Sie besitzt eine Urkunde mit diesem Datum. Darauf ist sie zur Universitätsprofessorin berufen. Mit solch einer Sicherheit für die eigene Lebensplanung lässt es sich gut einlassen auf das Abenteuer Forschung. Kirsten Bacia wird im nächsten Jahr 40 Jahre alt. Dass ihre berufliche Karriere-Leiter weiterhin in Halle steht, ist ihr ein angenehmer Gedanke. Auch wegen der lebenswerten Rahmenbedingungen. Seit Berkeley, sagt sie, wisse sie eine grüne Stadt zu schätzen – inklusive Arbeitsweg durch einen Park, den sie radelnd zurücklegen kann. Und die Nähe zur Saale sei immer eine Option, ihren geliebten Freizeitsport, das Kanufahren, wieder aufzunehmen.

Teamgeist auf kurzen Wegen

Mit der Besetzung der W2-Professur für Biophysikalische Chemie durch Kirsten Bacia ist eine kontinuierliche Fortführung der Forschungsarbeit auf diesem Gebiet gewährleistet. In ihrer Arbeitsgruppe werden biochemische und biophysikalische Methoden angewandt, um das Zusammenspiel zwischen natürlichen Membranproteinen in künstlichen Modell-Membransystemen zu rekonstruieren und ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften zu analysieren.

Kirsten Bacia (vorne) und die Technische Assistentin Claudia Müller stellen Membranen künstlich her, um sie mit Proteinen zu kombinieren und die Wechselwirkung zu untersuchen. (Foto: PRpetuum GmbH)  
Kirsten Bacia (vorne) und die Technische Assistentin Claudia Müller stellen Membranen künstlich her, um sie mit Proteinen zu kombinieren und die Wechselwirkung zu untersuchen.   © PRpetuum GmbH

Von der Mensa zum Institut müssen wir einen Umweg nehmen. Auf dem einst kürzesten Weg liegt die Baustelle. Kirsten Bacia schaut hoch zur imaginären dritten Etage, in der sie ihr Büro beziehen wird – ganz nah bei den Laborräumen. Das hat sie sich so gewünscht. Wohl wissend, dass sie noch weniger Zeit haben wird, Experimente selbst durchzuführen. Darum will sie ganz nah dran sein an dem, was ihre Arbeitsgruppe tut. Teamgeist und eine kommunikative Atmosphäre sollen mit einziehen, wenn das Forschungsgebäude 2016 fertig ist.


Nähere Informationen zum ZIK HALOmem stellen wir Ihnen hier zur Verfügung.