Die Grenzgänger

In Frankfurt (Oder) produziert das Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik den weltweit schnellsten Transistor auf Silizium-Basis. Das Innovationsforum "EKSED" will nun in Ostbrandenburg ein branchenübergreifendes Elektronik-Netzwerk aufbauen.

„Bei uns kreuzen sich Wege und Menschen aus Deutschland, Polen und Europa mit ihren Ideen und Wünschen. Wo sonst, wenn nicht hier, sollte heute ein Innovationsforum stattfinden, das HighTech und ihre Macher zwischen Spree und Oder vernetzt, um Innovationen zu provozieren?“, begrüßte Frankfurts erster Beigeordneter Claus Junghanns das Publikum.

Hightech ist für Hans Richter vor allem Mikroelektronik: „Sie bildet das Rückgrat. Die Software ist das Gehirn.“ So beschreibt er ein eingängiges Bild dieser Zukunft versprechenden Branche. Der umtriebige Professor und Experte für Halbleitertechnologie gehört als Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft und Wirtschaft zu den Ideengebern des Innovationsforums Mittelstand „Elektronische Komponenten und Systeme für intelligente Elektronik zur Digitalisierung – EKSED“.

Vorhandene Potenziale nutzen

„Die Nano- und Mikroelektronik im Verbund mit modernster Datenübertragung sind die Schlüsseltechnologien für den Industriestandort Deutschland“, ist Hans Richter überzeugt. Und die quirlige Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg werde hier kräftig mitmischen. Wobei sich Richters Blick vor allem auf das östliche Brandenburg richtet. Mehr als 30 Unternehmen und Institute mit den Schwerpunkten Mikroelektronik, Photonik, Integrationstechnologien, Informations-, Sensor- und Systemtechnik sowie Aufbau- und Verbindungstechnik sind hier tätig: „Diese vorhandene Kompetenz müssen wir stärker bündeln, um Innovationsbedarf schnell zu erkennen, marktgerechte Produkte auch gemeinsam zu entwickeln und die Wertschöpfung in der Region zu stärken.“ Mut mache ihm dabei zum einen das Interesse der Unternehmen und zum anderen die zunehmende Zusammenarbeit u.a. mit der BTU Cottbus-Senftenberg, der TH in Wildau aber auch mit dem Wissenschaftsstandort in Berlin-Adlershof. Ein weiteres dickes Plus sei die starke Exportorientierung vieler Elektronikunternehmen in der Region. Diese Kundenbindungen in alle Teile der Welt will die Wachstumskernregion Ostbrandenburg pflegen und ausbauen helfen. „Und wir wollen neue Kooperationen aufbauen!“,sagt Hans Richter, wobei er sicher auch an Tesla denken muss: Der amerikanische Elektroauto-Pionier will ab 2020 eine Autofabrik im Brandenburg errichten.

Rolf Kraemer von der Forschungsfabrik Mikroelektronik, zu der auch das Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) zählt, macht auf wichtige weiche Standortfaktoren aufmerksam: „Wir brauchen hier ein neues, ein gutes Lebensgefühl, um attraktiv für Absolventen und Fachleute zu sein.“ Herausfordernd sei für ihn die Tatsache, dass von 100 Ausgründungen an der Europa-Universität VIADRINA bisher nur ganze drei in Frankfurt (Oder) ihren Firmensitz haben. Kompetenz werde Lebensqualität suchen. Wo sie nicht anzutreffen sei, ziehe man weiter. Dass dies nicht so sein muss, beweist das Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik. Die rund 340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus 20 Ländern und von allen Kontinenten. Mit ihren Forschungsprojekten entwickelten sie den schnellsten siliziumbasierten Transistor der Welt mit einer Frequenz von 720 Gigahertz bei einer Schaltzeit von 1,4 Pikosekunden. Beste Voraussetzung also, um leistungsstarke Anwendungen für Telemedizin, Sicherheit, Kommunikation, Industrie, Mobilität und Raumfahrt zu entwickeln. Neuen Bedarf signalisiert jetzt auch die Forst- und Landwirtschaft.

Ansicht eines Firmengebäudes
Am IHP Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) sind 340 Mitarbeiter aus 20 Ländern tätig. © IHP Leibniz-Institut für Mikroelektronik Frankfurt (Oder)

Vorreiter aus den Alpen

Nicht zufällig lenkt das Team um Hans Richter den Blick nach Österreich. Dort entwickelte sich in den letzten drei Jahren mit dem „Silicon Alps Cluster“ eines der Vorzeigenetzwerke für elektronische Systeme in Europa. Christian Philipp ist dort Marketingchef. Er skizzierte einige Schwerpunkte dieser Erfolgsgeschichte. Mit der Silicon Alps Cluster GmbH als PublicPrivatePartnership-Modell verfüge man über eine schlagkräftige Institution, die von 134 Unternehmen und Instituten sowie 12 Shareholdern getragen wird. Sie verbinde Kompetenz und Qualität vor allem in Kärnten und in der Steiermark, um gemeinsam Innovationen auf die Märkte zu bringen und Kompetenz in der Region weiter aufzubauen. Besonders erfolgreich sei man beispielsweise bei elektronischen Signaturen, grünen Zukunftstechnologien, neuen Mobilitätsangeboten und der Gesundheitswirtschaft.

Ohne dieses Netzwerk kopieren zu wollen, werde man die positiven Erfahrungen dieses Bündnisses definieren und für die weitere Arbeit aktiv nutzen, unterstreicht Hans Richter. Von besonderer Bedeutung sei außerdem die Kooperation mit den Netzwerken „Silicon Saxony“ und „Optonet“ in Thüringen. Langfristig könne so ein eigenständiges Cluster für mikroelektronische Systeme in der Region zwischen Oder, Elbe und Saale entstehen. Viel Hoffnung und noch mehr Arbeit warten auf die Akteure.      

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