Die Praktik der Höhlenmenschen

Schon die Urmenschen haben in ihren Höhlenzeichnungen Metaphern verbildlicht. Jetzt, im digitalen Zeitalter, nutzt ein Potsdamer Forschungsbündnis diese Praktik und visualisiert Daten, um sie zu verstehen.

Unternehmen müssten sich Konzepte überlegen, wie sie mit den von ihnen erzeugten Daten umgehen. Sonst sei ihnen die Teilnahme am technischen Fortschritt langfristig nicht möglich, sagt Jürgen Döllner, Leiter des Lehrstuhls für Computergrafische Systeme am Hasso-Plattner-Institut (HPI) der Universität Potsdam. Und: Dass die Daten gespeichert werden, hieße noch nicht, dass sie auch effektiv genutzt würden.

Wer schon einmal die Kolonnen von Zahlen und Zeichen gesehen hat, die in einer Datenbank hinterlegt sind, der weiß, wovon die Rede ist. Auch der beste IT-Experte stößt an die Grenzen seiner Vorstellungskraft, wenn Big Data auf ihn zurollt.

Seit sechs Jahren forschen Potsdamer Nachwuchswissenschaftler daran, aus den Millionen von Zeilen, die hinter einer Software stecken, visuelle Informationszugänge zu generieren. „4D- und nD-GeoVis – Geovisualisierungstechnologie für massive raumzeitliche und hochdimensionale Informationen“ heißt die vom Bundesforschungsministerium geförderte InnoProfile-Transfer-Initiative. Deren Ergebnisse sind leichter zu handhaben, als es der Projektname vermuten lässt.

Daten werden visualisiert

„Haben Firmen Erfolg, dann ist der mittlerweile zum großen Teil auf Investitionen in die Softwareentwicklung zurückzuführen“, sagt GeoVis-Projektkoordinator Jürgen Döllner und hält es für extrem wichtig, dass sich Firmen den „Luxus Forschung“ gönnen. Junge Unternehmen, die mit dem HPI in dem GeoVis-Projekt zusammenarbeiten, sind unter anderem die Seerene GmbH, die Digital Masterpieces GmbH und die 3D Content Logistics GmbH, allesamt aus Potsdam, sowie die Targomo GmbH aus Berlin.

Eine der innovativen Ideen des Forschungsprojektes ist eine Softwarekartierung, die die unlesbaren Daten in optische Landkarten übersetzt. Der Mensch ist es gewohnt, sich in solchen Karten zurechtzufinden. Jetzt kann etwa der Softwareentwickler das System innerhalb eines Unternehmens leichter und besser verstehen.

Visualisierungskarte von städtischen Planungsräumen in Berlin
Mithilfe der Visualisierung und Analyse von multidimensionalen räumlichen Daten ist hier die Wohnqualität in statistischen Planungsräumen von Berlin dargestellt.  © 3D Content Logistics GmbH

Aber auch Endanwender von softwarebasierten Produkten kommen in den Genuss der GeoVis-Entwicklungen. Mithilfe visualisierter Geo-Daten wurde für die Wirtschaftsförderung Berlin ein 3D-Stadtmodell gestaltet, mit dem beispielsweise Gewerbegebiete beworben werden. Durch Visualisierung werden Daten etwa über Immobilienpreise oder über den Zustand von Gebäuden optisch gut lesbar.

Unternehmen, die eruieren wollen, wann sich ihre Zielgruppe wo und wie bewegt, können sich ebenfalls der Geovisualisierungstechnologien bedienen – etwa Handelsketten bei der Auswahl von Filial-Standorten, der öffentliche Personennahverkehr beim Aufstellen von Fahrplänen oder Touristiker bei der Etablierung von Angeboten.

Kunden, die großen Spaß daran haben, ihre Fotos am Smartphone oder Computer zu „veredeln“, haben mit freudiger Resonanz auf GeoVis-Werkzeuge reagiert, mit denen sie künstlerische Stile transferieren, sich quasi als „digitaler Beltracchi“ betätigen können.

Matthias Trapp, Sebastian Pasewaldt und Amir Semmo (v.l.) zeigen ein GeoVis-Tool
Matthias Trapp, Sebastian Pasewaldt und Amir Semmo (v.l.) zeigen, wie mithilfe neuer GeoVis-Werkzeuge künstlerische Stile transferiert werden können.  © PRpetuum GmbH

Methoden werden zu Standards

„Wir wollen Photoshop ablösen.“ Mit einem Augenzwinkern spricht der Projektkoordinator von diesem ambitionierten Ziel. Was allerdings nicht ganz abwegig scheint, angesichts der Erfolge, die das Forschungsprojekt verzeichnet. Gerade beschäftigt sich das „Open Geospatial Consortium“ mit den von GeoVis entwickelten Methoden der raumbezogenen Informationsbearbeitung, um sie nach eingehender Prüfung in internationale Standards zu überführen. „Das OGC“, sagt Jürgen Döllner, „ist das weltweit höchste Gremium, wenn es darum geht, interoperable, große IT-Systeme herzustellen. Steht eine Erfindung in der OGC-Liste, hat sich alle Forschung gelohnt.“