Die Pulver-Macher auf Erfolgskurs
WIGRATEC steht für „Wirbelschichtbasierte Granuliertechnik“ und war schon als regionales Forschungsbündnis ein Innovationstreiber für das althergebrachte Trocknungsverfahren. Jetzt macht sich WIGRATEC als internationales Cluster einen Namen.
Bei Franziska Sondej im Regal stehen Gläser gefüllt mit Milchpulver unterschiedlicher Konsistenz. „Dass sich verschiedene Pulver mehr oder weniger schlecht verrühren lassen, hat wohl jeder schon praktisch erfahren“, sagt die Magdeburgerin. Sie selbst betrachtet die sogenannten „Gebrauchseigenschaften“ aus Sicht einer Expertin für strukturbildende Wirbelschichtprozesse. „Verfahrenstechnik“ hat sie an der Otto-von-Guericke-Universität (OVGU) Magdeburg studiert und auch hier promoviert – als Mitglied der vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Nachwuchsforschungsgruppe Wirbelschichttechnik, kurz NaWiTec. Der ebenfalls vom BMBF geförderte regionale Wachstumskern „Wirbelschichtbasierte Granuliertechnik“ WIGRATEC schuf zeitgleich die technologische Basis für die Weiterentwicklung dieses industriellen Trocknungsverfahrens, mit dem aus flüssigen Ausgangsstoffen Granulate oder Pulver mit speziellen Partikelstrukturen und -eigenschaften herstellt werden.
„Große Märkte für die Wirbelschichttechnik eröffnen sich zum Beispiel bei der Herstellung von Lebens- und Futtermitteln. Hier geht es nicht nur um eine lange Haltbarkeit der Pulver und Granulate, sondern auch um die Optimierung ihrer Eigenschaften“, kommt Franziska Sondej etwa auf die „funktionalen“ Lebensmittel zu sprechen. Die werden über ihren Nährwert hinaus mit speziellen gesundheitsfördernden Stoffen kombiniert. Die Wirbelschichttechnologie sei da ein geeignetes Herstellungsverfahren.
Experimente im Labormaßstab
„Der Markt wird weitere Bedürfnisse hervorbringen“ – so weitsichtig waren die WIGRATEC-Akteure beim Auslaufen der Förderung 2017 (dann schon als Nachfolgeinitiative WIGRATEC+) und verkündeten, auch über das Projektende hinaus ihre Zusammenarbeit im WIGRATEC-Bündnis; allen voran die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der Anlagenbauer IPT Pergande in Weißandt-Gölzau und die Glatt Ingenieurtechnik GmbH in Weimar. Die Akteure suchten sich neue Partner, auch außerhalb Deutschlands wie etwa Nestlé Netherlands, den niederländischen Technologielieferanten Bodec und den Lebensmittelproduzenten Agglomix. WIGRATEC ist zu einem internationalen Cluster gewachsen und wird seit 2019 vom Bundesforschungsministerium im Programm „Internationalisierung von Spitzenclustern, Zukunftsprojekten und vergleichbaren Netzwerken“ gefördert.
„Im Vergleich zu anderen Clustern sind wir klein, haben uns aber schon einen weithin bekannten Namen gemacht“, sagt Franziska Sondej, die das Bündnis koordiniert. Die Milchpulver in ihren Gläsern sind Ergebnisse der Laborexperimente an der Otto-von-Guericke-Universität. Hier steht eine große und moderne Versuchshalle. Gerade versammelt sich Sondejs Nachwuchsgruppe am Sprühtrockner für Frischmilch. Wie hoch darf die erhitzt werden, ohne Proteine und Enzyme zu zerstören? Wie beeinflussen die Prozessparameter die Strukturen der entstehenden Milchpulver? Wie schnell darf die Flüssigkeit eingedüst werden, um Energie zu sparen? „Die wissenschaftliche Auswertung dieser und anderer Fragen gibt den Anlagenherstellern und -anwendern wichtige Parameter in die Hand, um am Ende ein qualitativ stabiles Produkt zu erhalten“, sagt Franziska Sondej.
Ein weites Forschungsfeld
Einsparungen von Energie und Produktionskosten sind auch für WIGRATEC wichtige Aufgabenstellungen. Konkret wird an der OVGU erforscht, ob Sprühtrocknung und Agglomeration in einem Apparat kombiniert werden können. Agglomeration ist eine Schlüsseltechnologie, mit der die feinen sprühgetrockneten Pulver zu Instantpartikeln „verklumpt“ werden, die sich durch Zugabe von Wasser schnell und leicht zu Getränken oder Suppen verrühren lassen. Um die Produktion noch effizienter zu gestalten, wolle WIGRATEC ein Verfahren entwickeln, das die Sprühtrocknung, die Agglomeration und zudem noch Mischvorgänge einstufig kombiniert, sagt Franziska Sondej. Sie nennt als Beispiel die neuen Trockenmischungen zur Herstellung von Smoothies oder Frühstücksbrei, die bislang noch in aufwändigen Verfahren produziert werden.