Höchste Präzision für minimale Bewegungen

Hebt man einen 1.000 Kilometer langen Balken an einer Seite um einen Millimeter an, neigt man ihn um einen Nanorad. Winzige Neigungen spielen bei Erdbewegungen eine große Rolle. Dafür entwickeln Ilmenauer Forscher hochpräzise Messinstrumente.

Die minimalen Neigungen werden mit so genannten Inklinometern gemessen und sind in der Geophysik und in der Erdbebenforschung von Bedeutung. In den letzten fünf Jahren haben Ingenieure der Technischen Universität Ilmenau im Projekt „Neuartige Anwendungsfelder innovativer Kraftmess­- und Wägetechnik“ unter anderem solche Neigungsmesser entwickelt. Die Messinstrumente sind einfacher und aus weniger Einzelteilen aufgebaut als herkömmliche Inklinometer. Außerdem wurden sie mit robusten Gehäusen versehen, die unempfindlich sind gegen Feuchte und Druck. Davon versprechen sich die Wissenschaftler geringere Fehler bei Langzeitmessungen. Schon kleinste Neigungsänderungen im Bereich von wenigen Nanorad können Messfehler hervorrufen. Die Gezeitenwirkung des Mondes und der Sonne rufen beispielsweise periodisch wiederkehrende Neigungsänderungen von bis zu 100 Nanorad hervor. Diese können mit den hochpräzisen Instrumenten, wie sie in Ilmenau entwickelt werden, erfasst und dadurch entstehende Messfehler korrigiert werden. Im Geodynamischen Observatorium Moxa, das zur Friedrich-Schiller-Universität Jena gehört, werden die Neigungsmesser bereits eingesetzt. Auch eine Kooperation mit dem Bundesamt für Kartografie und Geodäsie im Observatorium Wettzell ist geplant.

Exakte Justierung

Winzige Messnadel
Winzige Messnadeln, wie beispielsweise an Rasterkraftmikroskopen, müssen exakt kalibriert werden, um Messunsicherheiten zu reduzieren. © TU Ilmenau

Die Ingenieure haben außerdem hochpräzise Geräte entwickelt, mit denen es möglich ist, mikroskopisch kleine Kraftsensoren wie zum Beispiel Messnadeln an Rasterkraftmikroskopen exakt zu kalibrieren. Solche Cantilever können mit einer Kraftauflösung von nur einem Nanonewton ausgerichtet werden. Gleichzeitig kann man ihre Verbiegung mit einer Wegauflösung von weniger als 0,1 Nanometer beobachten. Diese genau kalibrierten Mikrokraftsensoren gewinnen in der Medizin, der Biologie, und Biophysik, aber auch in den Materialwissenschaften zunehmend an Bedeutung. Beispielsweise werden sie in der Krebsforschung eingesetzt, um nanomechanische Eigenschaften von kranken Zellen zu untersuchen. Das Neue an dem Ilmenauer Instrument ist die hochpräzise Messung der Verbiegung mit Interferometern und die verbesserte Kraftauflösung. Die Messobjekte sind in dem Instrument rotierbar und lassen sich so in verschiedenen Stellungen kalibrieren. Das reduziert Messunsicherheiten. Künftig wird die neue Technologie aus Ilmenau in der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig für Kalibrierungen und internationale Vergleichsmessungen eingesetzt.

Schnelle Regelung

Für die Erfassung der Messdaten und die Regelung der Messtechnik haben die Wissenschaftler eine schnelle, hochauflösende und universell einsetzbare Elektronik entwickelt. Die Platine kann problemlos an jeden PC angeschlossen und genutzt werden. Ein Demonstrator wurde bereits erfolgreich getestet. Die Kosten für die Elektronik sind gering, sodass dem praktischen Einsatz nichts im Wege steht. Interessenten gibt es bereits, eine Verwertung ist also in Aussicht. Nach insgesamt zehn Jahren Förderung des Projektes durch das Bundesforschungsministerium werden die Ilmenauer Technologien sowohl in die Praxis gelangen, als auch weiterentwickelt werden. So sind die Wissenschaftler unter anderem an der Entwicklung einer hochpräzisen Waage beteiligt, die das Kilogramm messen soll, wenn es im nächsten Jahr neu definiert wird.