Imagewandel vom Abfall zum Wertstoff
Materialien für Elektrogeräte werden weltweit knapp, gleichzeitig landen sie auf dem Müll. Akteure aus der Innovationsregion Harz entwickeln Lösungen zur Wertstoffrückgewinnung und zur Verankerung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Region.
Autos, Haushaltsgeräte, Informations- und Kommunikationstechnik – kaum eine Branche kommt noch ohne Halbleiterchips aus. Die werden jetzt weltweit knapp. Asja Mrotzek-Blöß vom Institut für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld beruft sich auf brandaktuelle Meldungen der Tagespresse: Ein großer Autohersteller baut wieder analoge Zeigertachos ein, Hersteller von Kühlschränken und WLAN-Routern haben Lieferengpässe. Im Zuge der Digitalisierung werde der Halbleitermangel drastisch zunehmen, prognostiziert die Unternehmensberatung Roland Berger. „In der Wirtschaft kommt an, was wir mit nachhaltiger Kreislaufwirtschaft für Elektrogeräte meinen. Auch wertvolle Halbleitermaterialien können wiederverwertet werden“, sagt die Wissenschaftlerin, die auf den Forschungsfeldern Rohstoffsicherung und Ressourceneffizienz zuhause ist. Mit „wir“ ist zum einen das WIR!-Programm „Wandel durch Innovation in der Region“ gemeint. „Wir“ sind auch die Initiatoren des Bündnisses WEEE-Harz. „Waste electrical and electronic equipment“ steht in Fachkreisen als Begriff für „Elektroschrott“. Die europäische WEEE-Richtlinie beinhaltet eine erschöpfende Liste solcher Geräte, Bauteile und Verbrauchsmaterialien, die in diese Abfall-Kategorie gehören. Die Bevölkerung im Allgemeinen weiß nicht viel über richtige und falsche Mülltrennung und über die Wege, auf denen Abfälle zu Wertstoffen werden. Das ist ein großes Feld für Forschung und Entwicklung, auf dem sich im Harz traditionell viele Akteure bewegen. Dem WEEE-Bündnis geht es darum, den E-Schrott nicht als solchen zu verschwenden. Gefördert wir das WIR!-Bündnis WEEE-Harz vom Bundesforschungsministerium.
Aufklärung und Motivation
„Wir haben etwa 400 potenzielle Partner in der Region“, sagt Asja Mrotzek-Blöß, Koordinatorin des Bündnisses. Das hat sich in den zurückliegenden Monaten viele Ideen und Empfehlungen aus Workshops und Expertengesprächen eingeholt. Im Fokus stehen etwa Rücknahme und Vertrieb von funktionstüchtigen Altgeräten wie auch Ideen zur ordnungsgemäßen Entsorgung, zur Erhöhung der Umweltmotivation und zu Aufklärung und Bildung, um in einem ersten wie gleichsam entscheidenden Schritt die Sammelerfolge zu erhöhen. „Wir müssen alle derzeit praktizierten Entsorgungswege kennen, um Rückschlüsse zu ziehen, wo und wie sie zu optimieren sind“, sagt Dirk Schöps vom Recycling-Cluster wirtschaftsstrategische Metalle REWIMET. Eine seit 20 Jahren geführte Debatte um den Umgang mit Sekundärrohstoffen müsse auf modernen Stand gehoben und den Lebensräumen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen angepasst werden. So einige Ideen gibt es da schon im Praxistest: Die TU Clausthal zum Beispiel erprobte unter Mitarbeitenden eine App zur Erfassung von Elektrogeräten und zu deren Entsorgung, bzw. für das sogenannte Second-Life.
Bratwurst gegen Elektrogerät
Andere Gedanken-Modelle erschließen Chancen durch „different thinking“, durch das branchenübergreifende Verknüpfen von Services, die auf den ersten Blick nicht zueinander passen: Der Pizza-Dienst nimmt das alte Handy zur fachgerechten Entsorgung mit. Second Hand-Läden handeln mit gebrauchten Elektrogeräten. Auf dem Wochenmarkt gibt es Bratwurst gegen ein altes Kleingerät.
Mit modernen und ungewöhnlichen Lösungen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft soll im Harz auch ein attraktives Innovationsklima geschaffen werden, das Unternehmen und Nachwuchskräfte in die Region zieht. Darum seien die jungen Bevölkerungsgruppen wichtige Adressaten. Hier gehe es um das Finden zu nachhaltigen Lebensweisen und Berufen. Auch eine Bildungsoffensive hat sich das WEEE-Bündnis auf die Fahne geschrieben. Für Schul- und Berufsausbildung sollen Lernmodule zu Recyclingthemen entwickelt werden.