"Jede Universität kann als Magnet fungieren." - Nils Cordes, ZIK OncoRay

Im Interview spricht Nils Cordes darüber, warum ostdeutsche Forschungseinrichtungen und Universitäten für exzellente Nachwuchsforscher/-innen äußerst interessant sein können und was für ihn den Reiz einer Tätigkeit an einem ZIK ausmacht.

Spitzenforschung ist die Basis für Innovationen und damit für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und den Wohlstand einer Region. Um die Erfolge der ostdeutschen Forschungslandschaft zu sichern und die Entwicklung weiter voranzutreiben, gilt es, exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an ostdeutschen Universitäten zu halten bzw. sie dorthin zu holen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) möchte u.a. mit dem Programm Zentren für Innovationskompetenz (ZIK) im Rahmen der BMBF-Innovationsinitiative für die Neuen Länder einen Beitrag dazu leisten, jungen Forscherinnen und Forschern eine herausragende Perspektive in den Neuen Ländern zu bieten.

PD Dr. Nils Cordes (39) ist seit 2005 Nachwuchsforschungsgruppenleiter am Dresdner Zentrum für Innovationskompetenz OncoRay. Er lehrte zuvor an der Technischen Universität München und forschte am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr. Für die Stelle in Dresden schlug er Angebote von renommierten Universitäten in den USA und Großbritannien aus. Im Interview spricht Nils Cordes darüber, warum ostdeutsche Forschungseinrichtungen und Universitäten für exzellente Nachwuchsforscher/-innen äußerst interessant sein können und was für ihn den Reiz einer Tätigkeit an einem ZIK ausmacht.

Herr Cordes, Sie hatten 2004/2005 auch Stellenangebote aus den USA und Großbritannien. Was hat Sie dazu bewogen, statt in die USA oder nach Großbritannien nach Dresden ans ZIK OncoRay zu gehen?

Nils Cordes: Ich bin bis heute davon überzeugt, dass man nicht unbedingt ins Ausland muss, um gute Forschung zu machen. Wenn man gute Forschung machen möchte, liegt das in erster Linie in der eigenen Hand. Denn es kommt vor allem auch auf die Idee an. Zur Umsetzung sind natürlich eine hervorragende Infrastruktur und ausreichend finanzielle Mittel notwendig. Weil das in Dresden bei OncoRay gegeben war, wollte ich diese Chance unbedingt nutzen.

Heißt das, das die Ausstattung an einem ZIK durchaus mithalten kann mit der Ausstattung an internationalen Spitzenuniversitäten?

Nils Cordes: Die finanzielle Ausstattung der einzelnen Nachwuchsforschungsgruppen ist fünfmal so hoch wie üblicherweise bei einer  Professur. Das betrifft beides: die personelle Ausstattung und die Ausstattung mit Sachmitteln. Diese zwei Komponenten sind ein absolutes Plus für die ZIK.

Nun gibt es viele ostdeutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen, an denen keine ZIK angesiedelt sind, die aber trotzdem internationale Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für ihre Institute gewinnen wollen. Was sind allgemein Vorteile, wenn man eine Stelle an einer ostdeutschen Hochschule antritt?

Nils Cordes: Ein Vorteil ist, dass die Ostförderung momentan sehr gut ist. Dazu kommt, dass man sich als junger Wissenschaftler im Osten wesentlich besser etablieren kann als im Westen. Das liegt daran, dass dort alles noch neu, alles noch im Werden ist. Dadurch gibt es viele Möglichkeiten, sich zu entwickeln, eigene Vorstellungen einzubringen und eigene Ideen voranzutreiben. Wie man gut am Ausbau der Strahlen- und Krebsforschung an der TU Dresden sehen kann. Außerdem bin ich überzeugt, dass jede Universität, die auf einem Gebiet herausragende Forschungsleistungen erbringt, als Magnet fungieren kann – ganz egal, wo sie ist.

Gibt es noch weitere Besonderheiten, die gerade ostdeutsche Hochschulen dem wissenschaftlichen Nachwuchs bieten können? Wenn die ZIK beispielsweise versuchen, Nachwuchsforscher/-innen in ihre Stadt, an ihre Universität zu holen, mit welchen Argumenten sollten sie versuchen, Bewerber zu locken?

Nils Cordes: Zumindest wenn es um die ZIK geht, ist die personelle und finanzielle Ausstattung einfach das entscheidende Argument. Wenn man als Nachwuchswissenschaftler gerade auf dem Weg ist, sich zu etablieren, dann bietet ein ZIK ein enormes Potenzial, sich innerhalb kürzester Zeit weiterzuentwickeln und gute Strukturen aufzubauen, die dann auch weiteren Forschergenerationen zur Verfügung stehen.

Sollte man versuchen, die Leute so jung wie möglich an ein ZIK zu holen?

Nils Cordes: Ich denke nicht. Denn die Position des Nachwuchsforschungsgruppenleiters beinhaltet viele Facetten. Da zahlt sich eine gewisse Erfahrung in Forschung, Administration und Lehre aus. Man sollte sich bewusst sein, dass man Teil von Strukturen, von Gremien ist und dort eine bestimmte Rolle hat. Je weiter man in seiner Entwicklung fortgeschritten ist, desto besser kann man das ZIK in seiner Sichtbarkeit unterstützen für die Nachhaltigkeit und die Internationalität.

Muss – wenn sich die Forschungslandschaft im Osten weiter entfalten soll – auch der wissenschaftliche Nachwuchs umdenken und mehr Pioniergeist entwickeln? D.h. muss der Nachwuchs vermehrt die Herausforderung suchen und – statt  sich in ein gemachtes Nest zu setzen – selbst Strukturen mit aufbauen?

Nils Cordes: Absolut. Ich denke, wer das nicht will, ist als Nachwuchsforschungsgruppenleiter nicht geeignet und auch nicht am richtigen Ort. Die Nachwuchsforschungsgruppenleiter müssen das gesamte Potenzial dieser Stellen nutzen wollen. Sie können sich nicht nur die Rosinen herauspicken, sie müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um nicht nur persönlich erfolgreich zu sein, sondern auch um die Mitarbeiter, das ZIK und die Universität und damit den Standort als Ganzes erfolgreich zu machen.

Die Zentren für Innovationskompetenz sind im Rahmen der BMBF-Initiative Unternehmen Region als Exzellenzzentren positioniert. Wie lässt sich die Exzellenz bei OncoRay beschreiben?

Nils Cordes: Die Forschungsgruppen und die Inhalte, mit denen wir arbeiten, ergänzen die ursprüngliche Forschungsarbeit der Dresdner Strahlenforschung, der Medizinischen Fakultät und der Universität. Es gab in Dresden bereits eine gute Basis und OncoRay, in dessen Rahmen jetzt Hightech-Forschung betrieben wird, wertet den Standort Dresden im Bereich der Strahlenforschung deutlich auf. Da kann man definitiv von Exzellenz sprechen. Diese Exzellenz kommt nicht aus dem Nichts, sondern begründet sich darauf, dass wir einen bestehenden Forschungsschwerpunkt weiterentwickelt haben und auf dem neuesten Stand der Technik die Forschung vorantreiben.

Sie sagen, in Dresden gab es eine gute Basis. Heißt das, dass Exzellenz nur auf einer soliden Grundlage gedeiht? Und das diese etwas ist, wo andere Universitäten, die jetzt noch keine Exzellenzzentren haben, ansetzen können?

Nils Cordes: Auf jeden Fall. Das wird auch teilweise schon gemacht: Die Universitäten wählen bestimmte Forschungsbereiche, auf die sie sich fokussieren, in die sie besonders viel Geld investieren. D.h., sie setzen einen klaren Fokus auf das, was sie am Besten können. Und darauf kann man dann so etwas wie ein ZIK aufbauen, um Exzellenz zu erreichen. Diese Exzellenz wird dann bestätigt durch die Internationalität, die solch ein Standort hat.

Es wird immer wieder betont, dass eine Besonderheit der ZIK die Interdisziplinarität ist. Wie gestaltet sich die in Ihrem Team?

Nils Cordes: In meiner Forschungsgruppe arbeiten Mediziner mit Biologen und Chemikern zusammen. Was nicht immer so einfach ist, weil beide deutlich unterschiedliche Ausbildungen genossen haben und unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Der Biologe z.B. hat zunächst nicht die Therapie im Sinn, sondern konzentriert sich auf die molekularen Wirkmechanismen. Aber die Zusammenarbeit klappt wunderbar – jeder versucht, vom anderen zu lernen, damit wir die gleiche Sprache sprechen.

Neben Biologen und Medizinern beinhaltet das Zentrum auch Physiker und Mathematiker, Chemiker und Ingenieure. Im Zentrum ist es so, dass wir regelmäßig Seminare abhalten, dass wir Journal Clubs haben und dass man auch in die Projekte der anderen Gruppen eingebunden ist. So findet ein ständiger Austausch statt. Kollegen, die bisher nur mit Bestrahlungstechniken zu tun hatten, lernen, wie ein Bestrahlungsgerät beschaffen sein muss, damit man damit Zellen oder Menschen bestrahlen kann. Und wir Mediziner lernen, wie so ein Bestrahlungsgerät funktioniert und wie man es weiterentwickeln kann.

Das interdisziplinäre Arbeiten ist – neben der Exzellenz – ein wichtiger Aspekt für die Sicherung der Forschungsstandorte in der Zukunft. Sehen Sie die Notwendigkeit, sich in der Wissenschaft noch mehr zu vernetzen?

Nils Cordes: Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn sich alle Disziplinen mehr vernetzen würden. Insbesondere wäre es toll, wenn z.B. nicht nur naturwissenschaftliche und medizinische Fakultäten zusammenarbeiten würden, sondern auch geisteswissenschaftliche, philosophische Aspekte dazukämen. Denn früher oder später ist man in den meisten Disziplinen auch mit Ethikfragen konfrontiert. Mit den Geisteswissenschaftlern findet leider bisher nur auf oberster Ebene ein Austausch statt – dort kennen sich die Leute durch die gemeinsame Gremienarbeit. Aber auf mittlerer Ebene existiert bislang wenig Austausch, wenn überhaupt, dann durch persönliche Kontakte. Wünschenswert wäre immer noch das Studium generale.

Deutschland hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Hochschulabsolventen vor allem in den Naturwissenschaften zu steigern, um den Standort Deutschland auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu machen. Was kann man tun, damit schon bei Kindern und Jugendlichen ein Interesse an Forschung geweckt wird?

Nils Cordes: In erster Linie kann man die eigenen Kinder dazu animieren. Bei mir ist es so, dass ich meine Tochter ab und zu ins Labor mitnehme und ihr die Zellen zeige. Aber es gibt auch von Seiten der Universitäten viele Möglichkeiten, Nachwuchs für die Forschung zu interessieren. Ich denke da an die „Lange Nacht der Wissenschaft“, den „Tag der Gesundheitsforschung“, die Kinderuniversität und vieles mehr. Hier werden die Kinder gezielt in einem kinderfreundlichen Umfeld angesprochen. Und das Interesse der Kinder ist vorhanden: Solche Veranstaltungen finden sehr große Resonanz.

Wie war das bei Ihnen, wann hat Sie der Forschergeist gepackt?

Nils Cordes: Ich glaube, den hatte ich schon immer. Mir war das vielleicht nicht immer bewusst, aber mit Beginn meiner Doktorarbeit wusste ich dann definitiv, das ist mein Weg.

12. August 2008

 

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