Kontrolle ist besser
Über 600 Millionen Sensoren werden jährlich weltweit benötigt, um eine digitalisierte Produktion zu ermöglichen und die Produktqualität zu überwachen. Das Innovationsforum Mittelstand "smartSHM" entwickelt Strukturen, die sich durch integrierte Sensorik selbst überprüfen.
Georg Merzenich liebt Fragen! Vielleicht auch deshalb ist der studierte Elektrotechniker und heutige Geschäftsführer von "enjoy innovation" seiner Heimatregion Aachen treu geblieben. Hier werden auf die richtig wichtigen Fragen ziemlich oft gute Antworten gefunden. Merzenich ist Geschäftsführer der "enjoy innovation" und seit Jahren Netzwerker und Treiber für neue innovative Bündnisse in der Region Aachen. Zusammen mit Unternehmern und Institutsleitern in und um Aachen entstand die Idee für das Innovationsforum Mittelstand smartSHM. Das neue Bündnis soll eine mögliche wirtschaftliche Alternative für die Zeit nach der Kohle im Revier entwickeln. Georg Merzenich will diesen Prozeß weiter forcieren.
Die Industrie will es wissen. Weil sie in einem Dilemma steckt. Andreas Preisler vom Aachener Institut für Strukturmechanik und Leichtbau weiß das. Bei der Abschlussveranstaltung des Innovationsforums Mittelstand smartSHM an der RWTH Aachen bringt er die Situation so auf den Punkt: „Die Hersteller zum Beispiel von Fahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen müssen das Gewicht reduzieren, mit neuen Werkstoffen sparsam produzieren und die Emissionen bei Herstellung und Betrieb massiv herunterfahren.“ Auf der anderen Seite erwarten die Kunden am besten eine „Rundum-Garantie“ auf lebenslanges und vor allem sicheres Funktionieren der Produkte. Aber wer weiß genau, wann die Aufhängung eines Triebwerks aus Faserverbundwerkstoffen „müde“ wird?
In der Forschung liegt die Kraft
Beim Einsatz neuer Werkstoffe und Technologien greift man zunächst auf Erfahrungswerte zurück. Aber das Neue drängelt: „Seit rund 20 Jahren wartet die Sensortechnik auf den nächsten Innovationssprung!“, weiß Katharina Schmitz, Professorin am Aachener Institut für fluidtechnische Steuerungen und Antriebe. Ihrer Überzeugung nach sei die „Sensorpolizei“ beispielsweise reif für das Erkennen von Bildern. Zuverlässig messen die bisher eingesetzten Sensoren vor allem Temperatur, Druck, Geschwindigkeit, Helligkeit, Beschleunigung, Vibrationen oder auch die Zusammensetzung chemischer Gemische.
Doch gerade der Einsatz neuer Faserverbundwerkstoffe auf der Basis von Kohlenstoff- oder auch Glasfasern und die oft erforderliche Kombination mit metallischen Werkstoffen setzt noch viel Forschung und Entwicklung voraus. Wie belastbar sind die so gefertigten neuen Teile? Hält die neue Verbindung zwischen Kunststoff und Metall ein Produktleben lang? Erfüllt die beschichtete Oberfläche ihre Funktionen tadellos?
Für Matthias Rehberger vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik gibt es darauf eine klare Antwort: „Der ideale Arbeitsplatz für Sensoren einer neuen Generation! Die Herausforderung: Wie kommt der Sensor an die richtige Stelle und bleibt auch dort? Kleben, Drucken, Lasern? Und misst der Sensor dann auch exakt und kontinuierlich die benötigten Werte?“ Viel Forschungsarbeit müsse auch hier noch geleistet werden, um dieses Potenzial für eine Automatisierung der Prozesse optimal zu nutzen.
Innovative Systeme
Philipp Gerster von fos4x aus München stellte vor, wie an Windkraftanlagen modernste Sensoren beispielsweise den mechanischen Zustand der Flügel oder auch das perfekte Rotieren der Windräder messen, in Echtzeit die Daten zur Verfügung stellen, um eine ständige Kontrolle zu haben und auf Probleme sofort reagieren zu können.
Das RWTH-Institut für Integrierte Analogschaltungen und Halbleitertechnik will diese Technik unbedingt weitertreiben. Tobias Zekorn konzentriert sich dabei auf eine sichere und energieeffiziente Verarbeitung der Sensorsignale: „Passgenau das richtige Energiemanagement für das jeweilige System zu entwickeln hört sich vielleicht wie eine innovative Phrase an, wird aber über die Zukunft dieser digitalisierten Technik mit entscheiden.“
Der perfekte Zwilling
Da ist sich Michael Schluse vom Aachener Institut für Mensch-Maschine-Interaktion sicher: „Digitale Zwillinge sind gerade auf dem Weg vom Marketinginstrument hin zum wichtigen Arbeitsmittel.“ Dabei stehe der simulierte „Twin“ zum Beispiel bei der Entwicklung eines PKW-Querlenkers in direktem Kontakt zum Originalbauteil. Alle an diesem Teil gemessenen Werte werden zeit- und punktgenau auf den Zwilling im Prüflabor übertragen. Auftretende Probleme können direkt am digitalen Doppelgänger verarbeitet werden, ohne jedes Mal in das Originalteil eingreifen zu müssen – ein weiterer Schritt in Richtung digitalisierte Produktion.
„Jetzt sind wir einige Purzelbäume weiter. Und die Unternehmen haben uns klar gemacht, dass sie wissen müssen, wie es ihren neuen Leichtbauteilen wirklich geht!“, umreißt Georg Merzenich am Ende ein wichtiges Ergebnis des Aachener Innovationsforums. Sich dieser Herausforderung zu stellen, bereitet ihm sichtlich Freude.