Mikrostrukturen veredeln Oberflächen : Datum:
Im Dreiländereck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind fachliche Kompetenzen auf dem weiten Feld der Materialbearbeitung und -verarbeitung zuhause. Jetzt soll hier eine Kompetenzregion für mikrostrukturierte Funktionsoberflächen entstehen.
„Über den Tastsinn nehmen wir eine Vielzahl von Informationen auf. Die Wirkung des haptischen Eindrucks wird von Oberflächenveredelungsbranchen genutzt – nicht nur, um den Konsumenten gezielt Informationen zu Produktmerkmalen und Funktionsweisen zu vermitteln. Durch Oberflächenstrukturen können Produkte ganz neue Eigenschaften erhalten“, sagt Arend Riegel, Bündnismanager am Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig. Das IOM entwickelt Technologien, die eine Funktionalisierung von Oberflächen und dünnen Schichten unter anderem mittels Laser-Strukturierung ermöglichen. Gemeinsam mit der herlac Coswig GmbH und der Sächsischen Walzengravur GmbH in Frankenberg initiierte das IOM das Bündnis „GRAVOmer – Kompetenzregion mikrostrukturierte Funktionsoberflächen“. Es wird innerhalb des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ vom Bundesforschungsministerium gefördert. Denn: „Gerade in der Region Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen können verschiedenste Kompetenzen gebündelt werden, was Materialien und Strukturen sowie die Prozesse der Oberflächenveredelung und -funktionalisierung betrifft“, sagt Ulrike Helmstedt, Bündnisleiterin und Wissenschaftlerin am IOM. Sie nennt etwa die chemische, die optische und die Druck-Industrie, den Maschinenbau und die Medizintechnik. Durch Wissens- und Technologietransfer in die Unternehmen und eine intelligente Vernetzung derer Ressourcen soll die Region um Leipzig ein Kompetenzstandort für Funktionsoberflächen werden.
Innovative Funktionen
Von neuen funktionalen Oberflächeneigenschaften ist ziemlich schnell eine – zunächst gedankliche – Brücke geschlagen zu den Herausforderungen unserer Zeit: CO2-Vermeidung, Müllreduzierung, Ressourceneinsparung... Mittels neuester Methoden der Mikrostrukturierung seien da innovative Lösungen zu finden, so Arend Riegel. Er nennt etwa das Imageproblem von Verpackungsmaterialien aus Kunststoff. „Die erhalten ihre hervorragenden Eigenschaften durch die Zusammensetzung verschiedener Kunststoffe, was aber nicht gerade materialsparend ist und das Recycling erschwert. Ein Weg, Kunststoffgemische zu vermeiden, wäre das Einbringen gewünschter Funktionen auf die Oberfläche eines Materials.“
Bei über 40 kleinen und mittleren Unternehmen hat das GRAVOmer-Team inzwischen Interesse für den „praktischen“ Brückenschlag geweckt. Der reicht vom Wissensaustausch bis zu gemeinsamen Projekten, die zu neuen Geschäftsfeldern führen können. Die ersten Ideen reifen bereits: Biofaserpapier, das aus der Lignocellulose in den Gärrückständen von Biogasanlagen hergestellt wird, muss bestimmte Eigenschaften erhalten, damit es bedruckt werden kann. Oder: Eine bestimmte Oberflächenstruktur verhindert das Beschlagen und Vereisen der Außensensoren von autonom fahrenden Autos. Eine weitere Idee ist der passive Vogelschutz: Glasflächen werden mit einer für das menschliche Auge unsichtbaren funktionalen Oberfläche versehen, was Kollisionen mit Vögeln vermeidet.
Neue Marktchancen
„Mit unserem GRAVOmer-Innovationsnetzwerk möchten wir nachhaltige Kooperationen insbesondere zwischen Bündnisunternehmen initiieren. Die Zusammenarbeit soll sich dabei möglichst entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Material- oder Werkzeughersteller bis zum Produzenten eines Endprodukts erstrecken“, betont Bündnisleiterin Ulrike Helmstedt. „Kunden des Walzenherstellers ‚Sächsische Walzengravur‘ beispielsweise stellen Verpackungen für süße Knusperflocken wie auch für Pharmaka her. Jedes Unternehmen in dieser Kette kann sich perspektivisch mittels der GRAVOmer-Plattform in den entsprechenden technologischen Stand versetzen, um sich auf dem Markt zu behaupten oder sich mit einem Alleinstellungsmerkmal zu platzieren.“