Moderne Technik weckt schlummernde Gipsressourcen

Im Südharz weisen Tagebaulöcher auf den Abbau von Naturgips hin. Dieser Wirtschaftsfaktor gefährdet aber auch das Naturschutzgebiet – darin liegt Konfliktpotenzial. Ein Forschungsbündnis erschließt (Aus)Wege zur Verwertung von Reststoffressourcen.

Halde vom Gipsabbau
Eine Halde vom Gipsabbau bei Appenrode am Nordrand der Südharzer Gipskarstlandschaft © A. Ruff

Rund zehn Millionen Tonnen Gips pro Jahr werden in Deutschland verbraucht. Die Hälfte davon wird aus den Rückständen von Rauchgasentschwefelungsanlagen der Kohlekraftwerke gewonnen. Dieser technische REA-Gips findet als Baustoff Verwendung. Der hochwertigere Naturgips wird in der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie eingesetzt – etwa als Träger von Wirkstoffen und zur Regulierung der Wasserhärte.

Einschlägige Experten – Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, auch aus Naturschutzverbänden – machten beizeiten darauf aufmerksam, dass der Ausstieg aus der Kohleverstromung mit einer enormen Verknappung von Gips einhergehe. Sollte dieser Mangel den vermehrten Abbau von Naturgipsreserven nach sich ziehen, wäre der Südharz als Hauptlieferant arg betroffen. Ohnehin ist hier das Verhältnis zwischen Gipsindustrie und Naturschutz angespannt. Das einzigartige Biosphärenreservat „Karstlandschaft Südharz“ hat die Anerkennung durch die Unesco beantragt. Ein „Ausweg“-weisendes Forschungsbündnis heißt „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“. Es wird vom Bundesforschungsministerium innerhalb des WIR!-Programms „Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert. „Wir haben die Ressourcenschonung im Blick“, sagt Bündnis-Leiterin Ariane Ruff, Professorin an der Hochschule Nordhausen. Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen, innovative Technologien und neue Geschäftsfelder zu erschließen ist die übergreifende Aufgabe der einzelnen Forschungsprojekte.

Trennen und Sortieren von Gips

Gips-Steinbruch bei Ellrich
Aktiver Gips-Steinbruch bei Ellrich am Nordrand der Südharzer Gipskarstlandschaft © Hochschule Nordhausen

Im Fokus eines dieser Teilprojekte stehen die Halden. In diesem mit Lehm und Ton verunreinigtem Abbaumaterial „schlummern“ 60 Prozent Gips, der mit derzeitigem Stand der Technik nicht effizient weiterverarbeitet werden kann. Ziel des Verbundvorhabens „Trennen und Sortieren von Gips“, kurz TreSorGips, ist die Entwicklung innovativer Aufbereitungsprozesse mittels moderner Technik, um am Ende ein Material mit Gipsgehalt von über 85 Prozent zu gewinnen. Das kann in der Baubranche eingesetzt werden. Zunächst stünden Innovationen zur Prozessoptimierung im Fokus, damit sich Aufbereitung und Verwertung von Rückständen aus der Gipsgewinnung gewinnbringend gestalten und sich als wirtschaftliches Standbein in der Region etablieren können, sagt Ariane Ruff: „Wir haben das Ziel, messbare Argumente für das Recycling der sogenannten Bestandshalden vorzubringen. Dazu müssen wir zeigen, dass die Aufbereitung technologisch umsetzbar und ökonomisch tragbar ist. Mehr noch: Das TreSorGips-Projekt soll auch zum Erkenntnisgewinn auf technologischem Gebiet beitragen, und über die Region hinaus für Wissens-Transfer sorgen.“

Gips aus der Kaliproduktion

Eine weitere Möglichkeit, dem vermehrten Abbau von Naturgipsen entgegen zu wirken, „ruht“ im wahren Wortsinne in den Verarbeitungsrückständen aus der Kaliproduktion, nämliche in den Calciumsulfat- also Gips-haltigen Rückständen, die als verunreinigte Abfallprodukte nicht weiterverwertet werden. „Unter diesem Aspekt könnte das Südharz-Unstrut-Revier als völlig neue und sogar dauerhafte Rohstoffquelle genutzt werden“, sagt Ariane Ruff. In Abhängigkeit von der Kalisalzgewinnung zur Düngemittelproduktion fiele Gips in nennenswerten Mengen ab. Ziel des Teil-Projektes „Industriegips aus der Kaliproduktion“ ist die Nutzung dieser Ressource, einhergehend mit der Entwicklung eines geeigneten Aufbereitungsprozesses. Am Ende solle aus diesen Reststoffressourcen Gips gewonnen werden, der dem natürlichen Material qualitativ sehr nahekommt.

Gleichsam erhöhe sich die Rentabilität der Kaliverarbeitung durch die Verwertung ihrer Reststoffe, sagt Ariane Ruff und hat dabei sogar die Wiedereröffnung alter Kalischachtanlagen im Blick. Im Südharz sind jahrzehntelang gewachsene bergbautechnische Kompetenzen zuhause sowie weitreichende Erfahrungen in der Gipsproduktion und -verarbeitung. Ergänzt durch die neuesten Erkenntnisse aus dem wachsenden Gipsrecycling-Netzwerk, so Ariane Ruff, könne die Region attraktiv werden für Investoren und für neue Geschäftsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Gipsgewinnung bis zu neuartigen Produkten aus Gips.