Monte-Carlo im Wirbel

Die Nachwuchsforschungsgruppe Wirbelschichttechnik „NaWiTec“ ist um zehn Jahre älter und um anwendbare Entwicklungen reicher. Neueste strukturbildende Wirbelschichtprozesse bringen Granulate mit zielgerichteten Gebrauchseigenschaften hervor.

Sind die Magdeburger Wirbelschichttechniker unter die Spieler gegangen, oder warum sprechen sie von der Monte-Carlo-Modellierung? NaWiTec-Forschungsgruppenleiter Christian Fischer schmunzelt. Tatsächlich gehe die Bezeichnung auf den Spielbankbezirk in Monaco zurück, sagt er und erklärt: „Bei dem Monte-Carlo-Verfahren wird eine große Zahl gleichartiger Experimente durchgeführt, um dann Aussagen von hoher Wahrscheinlichkeit treffen zu können.“ Soll heißen: Ob die Millionen Partikel wirklich alle mit gleichen Gebrauchseigenschaften aus einem Wirbelschichtprozess hervorgehen, lässt sich nicht für jedes einzelne bemessen. Aber: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist jedes, das in den Versuchsanlagen von NaWiTec „wirbelt“, von top Qualität. Seit zehn Jahren entwickelt die Nachwuchsforschungsgruppe Wirbelschichttechnik NaWiTec an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg neueste Technologien, die in der Wirbelschicht- und Granuliertechnik zum Einsatz kommen. Von den Ergebnissen profitieren Anlagenbauer und am Ende deren Kunden, die Pharmazeutika und Lebensmittel, Pflanzenschutz- und Düngemittel herstellen.

Fokus auf Granuliertechnik

Längst sind die Nachwuchswissenschaftler aus ihren Kinderschuhen herausgewachsen und haben sich zu „Pionieren“ profiliert, wenn es darum geht, die 100-jährige Wirbelschichttechnologie immer weiter zu optimieren – bis hin zu strukturbildenden Wirbelschichtprozessen, die Granulate mit besonderen zielgerichteten Eigenschaften hervorbringen. Jetzt, am Ende der finanziellen Förderung durch das Bundesforschungsministerium, ziehen die Wissenschaftler vom Institut für Verfahrenstechnik wie auch ihre Partnerunternehmen aus der Industrie eine positive Bilanz. An der Otto-von-Guericke-Universität steht eine der weltweit größten Versuchshallen, die unter dem Einfluss von NaWiTec modernisiert wurde. „Unser inhaltlicher Fokus ist jetzt viel mehr auf Granuliertechnik ausgerichtet“, sagt Evangelos Tsotsas, Inhaber des Lehrstuhls für Thermische Verfahrenstechnik.

Granulate für Instantkaffee, Waschpulver oder als Grundlage für Medikamente
Granulate für Instantkaffee, Waschpulver oder als Grundlage für Medikamente haben jeweils eine andere Struktur. © PRpetuum GmbH

Granulate mit Gebrauchseigenschaften

Granulationsprozesse werden eingesetzt, um ursprünglich flüssige Ausgangsstoffe in weiche bis feste Produkte zu überführen oder um den Stoffen eine neue Funktionalität zu geben, beispielsweise durch Beschichtung oder Agglomeration, also durch Verdichtung. Die Wissenschaftler an der Uni Magdeburg beschäftigen sich unter anderem mit den Mikroprozessen und der Prozessdynamik innerhalb der Wirbelschichtgranulation sowie mit Verfahren zur Inline-Messung der Produkteigenschaften während des Herstellungsprozesses. Zu den Partnern aus dem Bereich der Anwendung gehört die Glatt Ingenieurtechnik GmbH in Weimar. Der Anlagenbauer hat Kunden aus den Bereichen Pharma, Food und Feinchemie und profitiert von den gemeinsamen Forschungen im NaWiTec-Bündnis. Denn immer neue, von der Industrie gewünschte, Produkteigenschaften von Granulaten – ob für Sportlernahrung oder Medikamente – erfordern unterschiedlichste Granulierverfahren.

NaWiTec ist nachhaltig

Die Anhaltinische Verfahrens- und Anlagentechnik GmbH (AVA) in Magdeburg hat ein Gerät entwickelt, das die Inline-Feuchtemessungen in Echtzeit vornehmen kann. Es signalisiert sofort, wenn etwas im Prozess nicht stimmt. Im Ergebnis der NaWiTec-Forschung gibt es nun den Prototypen einer Inlinesonde, die zudem die Produkteigenschaften misst. Die AVA wird sie in ihr Gerät integrieren. „In Kundengesprächen können wir alle mit den NaWiTec-Forschungen punkten, denn sie erweitern unser jeweiliges Kompetenzprofil“, fasst Mirko Peglow, Geschäftsführer der IPT Pergande GmbH in Weißandt-Gölzau, zusammen. Bei Pergande steht im Zuge der BMBF-Förderung ein modernes Technikum. NaWiTec, so Peglow, wirke nachhaltig in die Region. Und er muss es wissen – schließlich war er selbst einmal Leiter der NaWiTec-Nachwuchsforschungsgruppe.