Neues Testsystem soll Demenz im Blut nachweisen
Demenz ist noch nicht heilbar, aber die Verläufe lassen sich therapieren – um so erfolgreicher, je früher die Diagnose. Das Forschungsbündnis „NeuroMir“ entwickelt ein Testsystem, das erstmals den Nachweis in der Blutprobe ermöglicht.
„In Deutschland leben 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Wenn wir alt genug werden, bekommen wir alle eine neurodegenerative Erkrankung“, stellt Harald Prüß fest. Der Neurologe arbeitet im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Berlin und an der Klinik für Neurologie der Charité Berlin. Er berät „NeuroMir“, ein in der Region Brandenburg angesiedeltes Forschungsbündnis, das innerhalb des Programms "RUBIN – Regionale unternehmerische Bündnisse für Innovation“ vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. „Wir wollen Antikörper-basierte Nachweissysteme entwickeln, die im Blut zielgenau auf neurodegenerative Erkrankungen hinweisen“, sagt NeuroMir-Koordinatorin Katja Hanack. „Ein Blutstropfen auf einen Teststreifen – und unsere Patienten bekommen ein Ergebnis, noch bevor sie die Sprechstunde verlassen“, so wünscht es sich der Neurologe Harald Prüß. Denn in seinen Sprechstunden verzeichnet er einen Trend: „Die Menschen wollen eine klare Diagnose, wenn sie merken, dass sich ihr geistige Leistungsfähigkeit verschlechtert.“ Zudem sei es auch aus Forschungssicht sehr wichtig, Alzheimerpatienten in Studien aufzunehmen, schon lange bevor es zu schlimmen Verläufen der Krankheit komme.
Schnelltest auf Antikörper-Basis
Auch wenn es bislang keine Heilung gibt, sieht Prüß in der frühen Diagnose die entscheidende Voraussetzung für eine begleitende Therapie, die den Verlauf abschwächt, die Lebensqualität des Patienten deutlich verbessert und dem familiären Umfeld mehr Sicherheit im Umgang mit der Krankheit gibt. Seine Schlussfolgerung: „Wir Mediziner beziehungsweise auch unser Gesundheitssystem haben großes Interesse an einer frühen Prognose über den Verlauf der Erkrankung, um unsere Patienten in Echtzeit therapeutisch zu begleiten. Eine verbesserte Diagnostik wäre mittels eines neuen Nachweissystems im Blut möglich.“
Zum Kernteam von NeuroMir gehören die Generic Assays GmbH, die unter anderem Schnelltests entwickelt und herstellt, die Askion GmbH, die medizintechnische Geräte entwickelt und produziert, sowie als Projektkoordinatorin die Professur für Immuntechnologie an der Universität Potsdam. Unter der Leitung von Katja Hanack hat sich die Wissenschaft hier hohes Ansehen in der Herstellung von murinen, humanen und cameliden Antikörpern, die sich für Diagnose und Therapie eignen, erworben. Der Projektname „NeuroMir“ verweist auf die neurodegenerativen Erkrankungen als Zielgruppe und auf die sogenannte „miR“, die microRNA. Die RNA ist neben der DNA ein weiterer Baustein des Lebens. Ribonukleinsäuren regulieren wichtige Prozesse in den Zellen. Bislang sind 480.000 verschiedene microRNAs (MiRNAs) bekannt, die in den Körperflüssigkeiten frei zirkulieren und eben auch krankhafte Veränderungen widerspiegeln, daher als sichere Biomarker dienen können.
Anwendung auf andere Neurodegenerationen
Kürzlich hatten die „NeuroMir“-Partner zu einem Anwender-Workshop eingeladen, um noch mehr über das momentane Diagnose- und Therapievorgehen und die Erwartungen aus der Praxis zu erfahren. So werde in den sogenannten Gedächtnissprechstunden zunächst Blut abgenommen, um Marker zu ermitteln, die auf psychische oder Stoffwechsel-Erkrankungen hinweisen. Demenzmarker, so die Praktiker, seien aktuell nur in der Flüssigkeit zu messen, die das Gehirn und Rückenmark umgibt (Liquor). Die Punktionen des Nervenwassers seien bekanntlich mit höherem Aufwand verbunden und seitens der Patienten mit Angst vor Schmerzen, Infektionen oder Lähmungen. Bis ein Ergebnis aus den nur wenigen Speziallaboren vorliegt, dauere es bis zu zwei Wochen. „Zudem brauchen Liquoruntersuchungen zu Studienzwecken eine Erlaubnis von der Ethikkommission“, so Prüß. Auch in dieser Beziehung sei der Bluttest eine sinnvolle Alternative.