Schiedsrichter trifft auf Carbonbetonpioniere
Es sind Visionen, Taten und Entscheidungen, die zählen – sowohl beim Fußball, als auch beim Bauen mit dem neuen Werkstoff Carbonbeton. Den mutigen Ideen von "C³" folgen nun konkrete Anwendungen, wie auf den Carbonbetontagen zu erfahren war.
Urs Meier rockt den großen Saal im Dresdner Hygiene-Museum zum Auftakt des Meetings. Die mehr als 300 Ingenieure sind begeistert, denn der ehemalige Schiedsrichter aus der Schweiz weiß wovon er redet, wenn es um Fairplay geht, um Motivation und Vision, um schnelle und manchmal auch unliebsame Entscheidungen. Schließlich hat der 59-Jährige fast drei Jahrzehnte lang so ziemlich alles gepfiffen, von der Schweizer Regionalliga bis zur Fußball-WM. Eines ist dafür besonders wichtig: Durchsetzungsvermögen. Genau das zeigen auch die Initiatoren der Zwanzig20-Initiative C³ – Carbon Concrete Composite e.V., denn ihre Pläne, Carbonbeton als revolutionären Baustoff in die Praxis zu bringen, setzen sie seit einigen Jahren Schritt für Schritt um.
Carbonbeton statt bröckelnde Brücken
So hat ein Team der Technischen Universität Berlin eine Carbonbetonbrücke entworfen, die eine Spannweite von 41 Metern hat und 12 Meter breit ist. Die Ingenieure und Architekten planen, das Bauwerk aus leichten, schlanken Fertigteilen vor Ort zusammenzusetzen. Dafür haben sie bereits diverse Bewehrungen und Verankerungen getestet sowie Zug- und Biegeversuche unternommen. Neben Straßenbrücken könnten auch andere Flächentragwerke wie zum Beispiel Stadiondächer aus Carbonbeton gebaut werden, die mit einer Spannbreite von bis zu 15 Metern nur wenige Millimeter dick sind.
Organische Architektur statt Einheitsbauten
Auch die Zwanzig20-Initiative "futureTEX" beschäftigt sich mit dem Werkstoff Carbonbeton. Um zu zeigen, welche außergewöhnlichen architektonischen Formen damit möglich sind, haben die Ingenieure, gemeinsam mit dem Architekten Gerd Priebe, einen Pavillon aus mehrfach gekrümmten Schalen errichtet. Priebe arbeitet schon seit zehn Jahren mit Carbonbeton. Für die Herstellung der Schalen testeten die Wissenschaftler verschiedene Verfahren wie Gießen, Tauchen und Laminieren. Der Testpavillon, der nun in Dresden zu bewundern ist, hat einen Durchmesser von fünf Metern. Der Architekt hält es für möglich, künftig sogar bis zu 18 Meter Durchmesser zu erreichen.
Festere Fäden – bessere Haltbarkeit
Um Bauwerke in dieser Größe realisieren zu können, muss die Bewehrung zuverlässig und dauerhaft mit dem Beton verbunden sein. Momentan werden die Carbonfasern mit Polymeren getränkt, damit das geschieht. Doch Polymere sind nicht hitzestabil, bei hohen Temperaturen lassen die mechanischen Eigenschaften nach. Eine Arbeitsgruppe der Technischen Universität Dresden verfolgt deshalb den Ansatz, rippenartige Garnstrukturen zu nutzen, ähnlich wie bei den Stäben, die im Stahlbeton verwendet werden. In einem nächsten Schritt sollen die Garnstrukturen dann zu Gelegen verarbeitet werden. Zudem haben die Ingenieure eine spezielle Flechttechnik für Carbonfasern entwickelt, mit der sie eine besonders stabile Struktur herstellen können. Die Herausforderung ist nun, dass die Festigkeit optimal ist und gleichzeitig die Verformbarkeit des Geflechts erhalten bleibt.
Zwei Tage lang haben visionäre Wissenschaftler und Unternehmer aus ganz Deutschland ihre Erfahrungen ausgetauscht. Ihr Fazit: Mit Carbonbeton wird sich das Bauen verändern, es wird nachhaltiger, haltbarer und ästhetischer werden. Die ersten Schritte auf dem Weg dorthin haben sie bereits getan.