Sensationelle Sicht ins schwarze Loch

Moderne Teleskope sehen scharf und jetzt sogar schwarze Löcher sensationell deutlich. Wissenschaftler aus Potsdam haben bei der Entwicklung optischer Instrumente die Nase weit vorn.

PIC-Glassubrat mit Wellenleiterstruktur
Glassubstrat mit Wellenleiterstruktur. Die feinen Streifen der Wellenleiter werden durch einen Hochleistungslaser in das Glas eingeschrieben. © AIP/innoFSPEC

Vier Augen sehen mehr als zwei. Diese Lebensweisheit behält auch ihre Gültigkeit, wenn anstelle der menschlichen Augen Teleskope in die Ferne schauen. Blicken vier Teleskope in die Milchstraße, sehen sie mehr als galaktischen Nebel. Sie erkennen leuchtende Sterne, dunkle Wolken, Gas und Staub. „Und sie entdecken schwarze Löcher“, begeistert sich der Astrophysiker Martin Roth vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). Er kommt auf das bislang weltgrößte „Very Large Telescope“ auf dem Gipfel des Cerro Paranal in Chile zu sprechen. Seine vier Teleskope mit jeweils einem Durchmesser von 8,2 Metern blicken tief in die Weiten des Kosmos. Roth und seine Wissenschaftlerkollegen des AIP waren an der Entwicklung einzelner Komponenten beteiligt.

ZIK-Forschung international beachtet

Seit Albert Einstein die Existenz von schwarzen Löchern 1916 theoretisch in den (Welt-)Raum stellte, ist das Interesse daran ungebrochen groß – von Kindern bis zu Forschenden. Letztere konnten jetzt, 100 Jahre später, beweisen, dass das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße wirklich existiert. Der Brite Roger Penrose, Reinhard Genzel aus Deutschland und die US-Amerikanerin Andrea Ghez erhielten 2020 den Nobelpreis. Deren Erfolg beruhe auf neuer, spezieller Messtechnik, weiß der astronomische Instrumentenbauer Martin Roth und ergänzt: „Grundlagen dafür haben auch wir hier in Potsdam gelegt.“ Mit „wir“ meint er das internationale Team seiner Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vom innoFSPEC. Dessen Langname weist hin, woran geforscht wird – an innovativer faseroptischer Spektroskopie und Sensorik. Das innoFSPEC ist ein Gemeinschaftsvorhaben des AIP und der Universität Potsdam und wird vom Bundesforschungsministerium als Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) gefördert.

Phasenmaske
Ultrahochpräzise Phasenmaske, mit der bei innoFSPEC durch ein Belichtungsverfahren mit UV-Laser komplexe Filter in Fasern erzeugt werden © AIP/innoFSPEC

„Über zehn Jahre Forschung tragen Früchte“, ist ZIK-Leiter Roth stolz auf wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen. Tatsächlich hat das innoFSPEC mittlerweile selbst die Strahlkraft von Sternen und wird weltweit gesehen. Auch das Magazin der europäischen Physikgemeinschaft „Europhysics News“ wurde aufmerksam. In der Februar-Ausgabe 2021 mit dem Schwerpunktthema „Black Holes“ berichten die Wissenschaftlerinnen Aline Dinkelaker und Aashia Rahman vom ZIK innoFSPEC über ihre Forschungen auf dem Feld der Astrophotonik, einer Schnittfläche zwischen Photonik und Astronomie.

Photonischer Chip sammelt Lichtstrahlen

Die Forschungen des ZIK sind von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung astronomischer Instrumente der nächsten Generation. „Wir läuten die Ära extrem großer Teleskope ein und entwickeln die neuen photonischen Chips dafür“, sagt Roth und weiß als Professor die Funktion dieser PIC-Chips (photonic integrated circuit) gut zu erklären: „Die Augen der Teleskope sehen erst dann scharf, wenn sie miteinander verkoppelt werden. Der photonische Chip führt alle Lichtstrahlen der Teleskope zusammen. Für Teleskope, die immer größer werden, müssen wir die Chips immer weiter verfeinern“, sagt Roth und dass die Forschungsorganisation European Southern Observatory, kurz ESO, gerade ein Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 39 Metern baut. Der Chip, der dessen Strahlen sammeln soll, ist so spektakulär klein wie eine Zwei-Euro-Münze.

Ganz nah vor Augen haben die Wissenschaftler inzwischen auch irdische Anwendungsgebiete wie die Medizin. Mit einem 3D-Spektrographen wie sie am Very Large Telescope angebracht sind und mit einer vom ZIK innoFSPEC entwickelten Software kann die bildgebende Spektroskopie auch im Labor zur nicht-invasiven Krebsdiagnostik eingesetzt werden.

„Für die Erkenntnisse aus der Astrophysik werden sich Einsatzgebiete eröffnen, an die wir heute noch gar nicht denken“, ist sich ZIK-Leiter Roth sicher und freut sich über die langfristig vereinbarte Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena.

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