Span frei!

Es gibt kaum ein verarbeitendes Unternehmen, das nicht bohrt, schleift oder fräst. Doch ein Innovationsforum zeigt: Die eingesetzten Zerspanwerkzeuge sind längst nicht ausgereift. Bahn frei für die neuesten Ideen – vom 3D-Druck bis zur Industrie 4.0.

Ein Bohrer zerspant Metall.
Spanende Fertigungsverfahren sind für die Herstellung von Bauteilen unverzichtbar und nehmen für das produzierende Gewerbe eine Schlüsselrolle ein. © gettyimages/vitapix

Die deutsche Ingenieurskunst hat schon viel Beeindruckendes zustande gebracht – emotionale Begriffe gehören traditionell nicht dazu. Wer selbst die schönsten Brücken als „Überwerfungsbauwerke“ tituliert, dem geht auch das Wort „Zerspanwerkzeuge“ geschmeidig über die Lippen. Der produktionstechnisch unbedarfte Zuhörer ahnt nicht, dass sich dahinter Prozesse verstecken, bei denen die Metallspäne nur so fliegen, wie zum Beispiel Fräsen, Drehen, Bohren oder Schleifen; und auch nicht, dass sich die Branche mit fast allen technologischen Megatrends dieser Tage auseinandersetzt.

Gedruckte Kühlkanäle

Ob 3D-Druck oder Industrie 4.0: Insgesamt elf Referenten verwandelten das Innovationsforum Mittelstand „Zerspanwerkzeuge“ in Stuttgart zum Wohlfühlort für neugierige Produktionstechnikfans. Welche Dinge sich heute schon im 3D-Druck herstellen lassen, erläuterte Stefan Richardt von der Concept Laser GmbH den gut 60 Teilnehmern. Dazu zählen Kerosin-Einspritzdüsen für Flugzeugturbinen ebenso wie Motorblöcke von Sechszylindern. „Durch additive Technologien haben wir eine größere Designfreiheit und können bessere Produkte herstellen“, so Richardt – und davon könnten auch Werkzeughersteller profitieren. Mit 3D-Druckverfahren können nicht nur Gewicht und Material eingespart werden; auch ganz neue Geometrien werden möglich.

Eine Frau steht mit einem Tablet vor einer Produktionsanlage.
In der digitalisierten Produktion ermöglichen intelligente Zerspanwerkzeuge die Überwachung der Fertigung und Optimierung der Prozessparameter in Echtzeit und leisten damit einen Beitrag zur Qualitätssicherung. © istockphoto/yoh4nn

Industrie 4.0 fürs Sägeblatt

Seit 61 Jahren schon stellt das Familienunternehmen Kohnle GmbH im bayerischen Kolbermoor Hartmetallwerkzeuge wie etwa Kreissägeblätter her. Vor acht Jahren hat Michael Kohnle, der die Firma in dritter Generation führt, das Thema Industrie 4.0 entdeckt – zu einem Zeitpunkt, als der Begriff noch nicht einmal erfunden war. „Das Kreissägeblatt war damals schon ziemlich ausgereift, aber irgendetwas muss man ja mal anders machen“, verriet Michael Kohnle den Zuhörern. Mittlerweile bietet seine Ausgründung iBlade GmbH Werkzeugherstellern ein komplettes Paket aus RFID-Komponenten, Vermessungstechnik und Software, mit dem sie ihre Werkzeuge vollautomatisiert verwalten und warten können. „Die Reparatur und das Nachschärfen von Kreissägeblättern ist ein praktisches Beispiel dafür, wie man Industrie 4.0 in kleinen Unternehmen einsetzen kann“, findet Kohnle.

Umbrüche als Chancen

Es sind vor allem diese kleinen Hersteller von Zerspanwerkzeugen, die das Innovationsforum Mittelstand erreichen will. Dazu zählen mehr als 300 Firmen mit unter 20 Mitarbeitern, die vor allem in Süddeutschland und im Bergischen Land sitzen. Sie gehören zu einer Branche, die sich einerseits einer wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland gegenübersieht; andererseits vermuten Experten spätestens ab 2025 einen Rückgang der klassischen Verbrennungsmotoren – und damit eines der Haupteinsatzfelder für Zerspanwerkzeuge. Doch nicht nur angesichts des Wachstumsmarkts Elektromobilität glaubt Marco Schneider vom Fraunhofer Institut für IPA, dem Ausrichter des Innovationsforums: „Die Umbrüche können als Chance genutzt werden, um die Technologieführerschaft der deutschen Zerspanwerkzeughersteller im globalen Wettbewerb zu sichern.“