Vollautomatisch gewirbelt
Die Forschung gehört zum Tagesgeschäft der Anhaltischen Verfahrens- und Anlagentechnik GmbH in Magdeburg. Mit einem neuen Messsystem ist das Unternehmen ein Innovationstreiber auf dem traditionsreichen Gebiet der Wirbelschichttechnik.
„Die Lösung heißt SAMPIN“, wirbt ein Prospekt der Anhaltischen Verfahrens- und Anlagentechnik GmbH. Für den „Sensor for Analyzing Moist Particles Inline“ sieht Markus Henneberg, Geschäftsführer des Magdeburger Unternehmens mit dem Kurznamen AVA, gute Absatzchancen. Bis zu eben diesem Gerät gab es keine optimalen Lösungen , die Feuchtigkeit während eines Wirbelschichtprozesses in Echtzeit – also „inline“ – zu messen. Die Entwicklung der innovativen Messtechnik war ein Teilprojekt des vom Bundesforschungsministerium geförderten Forschungsbündnisses „Wirbelschichtbasierte Granuliertechnologie – WIGRATEC+“.
Warum die Messung der Produktfeuchte so wichtig ist, erklärt Andreas Bück. Er leitet die Nachwuchsforschungsgruppe Wirbelschichttechnik „NaWiTec“ an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und hat als Stiftungsprofessor engen Kontakt zu Unternehmen, die Wirbelschichtanlagen bauen oder damit produzieren. „Deren Endkunden stellen Pharmazeutika, Pflanzenschutz-, Dünge- und Lebensmittel her“, sagt Andreas Bück. „Aus einem flüssigen Ausgangsstoff wird im Wirbelschichtverfahren ein Granulat oder Pulver, in dem sich die Partikel in sämtlichen Parametern gleichen sollen.“ Die Trocknung der Partikel, so Bück, sei ein wichtiger Prozess, um die Flüssigkeitsmengen im Produkt auf ein Niveau zu bringen, das eine einfache Lagerung und Handhabbarkeit ermöglicht – wie etwa beim Einrühren von Kakaopulver. Noch wichtiger sei die gleiche Beschaffenheit aller Partikel bei der Herstellung von Arzneimitteln.
Software simuliert Produktionsprozess
Die AVA ist ein langjähriger Forschungspartner auf diesem Gebiet. „Die Zukunftsmärkte im Blick initiierten wir 2006 das Innovationsforum ,Wirbelschichttechnik‘, um die 100-jährige Technologie weiter zu entwickeln, innovative Anlagen zu bauen und neue Anwendungsfelder zu erschließen“, sagt Markus Henneberg. Der Verfahrenstechniker hatte bis 1996 an der Universität Magdeburg studiert und auf dem Gebiet der Wirbelschichttechnik promoviert. Er und weitere drei Absolventen gründeten 2003 die AVA. Sie gaben damit der industrienahen Wirbelschichtforschung in der Region einen neuen Impuls. 2004 erhielt die AVA den Hugo-Junkers-Innovationspreis des Landes Sachsen-Anhalt für eine Software, die den komplexen Wirbelschichtgranulationsprozess simuliert und auf dem Computerbildschirm abbildet. Mit dieser Software gehe beispielsweise die Einrichtung der Anlage für ein neues Produkt wesentlich schneller, sagt Henneberg. Innerhalb des Wachstumskerns „WIGRATEC“ wurde die Simulationssoftware zu einem flexiblen, modularen System weiterentwickelt, das sich der Kunde nach seinen Bedürfnissen zusammenstellen kann.
Inline-Feuchtemessung in Echtzeit
Florian Sajontz hat unterdessen SAMPIN vorführfähig aufgebaut. Er leitet die Forschung- und Entwicklungsabteilung bei AVA. Das patentierte Inline-Messsystem ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Vollautomatisierung des Wirbelschichtprozesses. Wenn sich beispielsweise bei der Granulation ungewollt Klumpen bilden, wird das sofort bemerkt und reguliert – ohne Anlagenstillstand und Produktionsverlust. Sajontz erklärt die Funktion von SAMPIN: Während des Trocknungsprozesses rieselt das Granulat in eine Messkelle – dort misst ein eingebauter Sensor die Feuchte – das Granulat wird pneumatisch wieder ausgestoßen. Die Auswertung der Messung lässt sich auf dem Bildschirm eines mobilen Gerätes ablesen. „Innerhalb von WIGRATEC+ ist dieses Gerät auf einen großen Anwenderkreis hin optimiert und auf marktfähige Beine gestellt worden“, freut sich Markus Henneberg.