Weben in virtuellen Räumen
Die Textilbranche erfindet sich neu, das gilt auch für ihre Ausbildungskonzepte. „Learning by Doing“ soll künftig für Weber und Stricker auf modernen digitalen Wegen und in virtuellen Räumen stattfinden.
Die Textilwirtschaft ist eine der ältesten Traditionsbranchen in Deutschland – und auch vom digitalen Wandel erfasst. Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, 3D-Druck, moderne Computertechnologien und neuartige Materialien eröffnen der Branche neue Geschäftsfelder. Die warmX GmbH in Apolda beispielsweise hat weltweit einzigartige gestrickte Stromkreise entwickelt und patentiert. Das thüringische Unternehmen erobert sich mit aktiv beheizbarer Unterbekleidung und industriellen Heizsystemen aus Textilien ein zukunftsträchtiges Marktsegment. Das beutet auch: Bei warmX befinden sich die Mitarbeiter in einem ständigen Lernprozess. Für das Kleinunternehmen gilt „lebenslanges Lernen“ ebenso wie für die Getzner Textil Weberei GmbH. Der global führende Hersteller für hochwertige Bekleidungsstoffe und Technische Textilien hat einen Standort in Gera. Beide Unternehmen sind industrielle Partner in dem "futureTEX"-Verbundvorhaben VirtualTexLearning, das vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg koordiniert wird. Das Team um Verbundmanagerin Tina Haase kennt sich aus mit der Gestaltung virtueller Lern- und Erfahrungsräume. Auch der Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestaltung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist involviert in die „Implementierung technologischer Lern- und Assistenzsysteme für die berufliche Weiterbildung und Ausbildungsergänzung in der textilen Arbeitswelt“, so der ausführliche Projekt-Titel.
Modernisierte Ausbildung
Das „VirtualTexLearning“-Vorhaben hatte kürzlich zu einem Treffen nach Magdeburg eingeladen, um die vorangegangene Bedarfsanalyse in den Industrieunternehmen auszuwerten. „Wir müssen eindrucksvoll vermitteln“, so Tina Haase, „dass digitale Lehr- und Lernmethoden auch bei der Fachkräftegewinnung helfen können. Die etablierten Aus- und Weiterbildungskonzepte werden den fortschreitenden technologischen Entwicklungen nicht mehr gerecht.“ Die Projektpartner nehmen als „Assistenten“ etwa Datenbrillen, Virtual Reality-Modelle oder Software zur Prozessoptimierung in den Fokus.
„VirtualTexLearning“ will nachhaltige Lernprozesse in den Workflow der Weber und Stricker integrieren. Die Inhalte richten sich an erfahrene Fachkräfte wie auch an Berufsquereinsteiger und Auszubildende. Ein Ziel des Vorhabens ist die Qualifizierung von Auszubildenden, e-Learning-Programme zu nutzen, um Lerninhalte selbst zu visualisieren. Das Berufliche Schulzentrum e.o.plauen wirkt bei der Entwicklung entsprechender Anwendungsszenarien mit und will die technologiebasierten Lernsysteme in sein Bildungsangebot aufnehmen.
Eine Kooperation gibt es auch mit der TU Chemnitz, wo der digitale „Textil-Trainer“ entwickelt wird. Die modularen online-Kurse sollen die Aus- und Weiterbildung attraktiver und für mehr Menschen zugänglich machen.
Praxisnahes Versuchsfeld
„VirtualTexLearning“ verbindet die Lernorte Schule, Forschungs- und Versuchsfeld und Betrieb miteinander. Ein Brückenbauer ist das Sächsische Textilforschungsinstitut STFI in Chemnitz. Hier ist das interdisziplinäre Konsortium futureTEX angesiedelt, das im Rahmen des Programms „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Anerkannte Kompetenz besitzt das STFI bei der Entwicklung innovativer Technischer Textilien und der damit verbundenen Technologien und Maschinen sowie auf dem Gebiet der Digitalisierung. Im futureTEX-Forschungs- und Versuchsfeld „Textilfabrik der Zukunft“ werden am STFI Lösungen für unterschiedliche textile Technologien und Automatisierungsstufen erlebbar gemacht, sagt Tina Haase. Auch „VirtualTexLearning“ nutzt dieses praxisnahe Versuchsfeld.