Forscherin entwickelt Mikromoleküle für neuartigen Alzheimer-Test
Franziska Dinter aus Senftenberg ist eine promovierte Biotechnologin. Derzeit ist sie an der Entwicklung eines Testsystems beteiligt, das die Alzheimer-Erkrankung im Patientenblut nachweist.
Im Gebäude der Biotechnologie auf dem Senftenberger Campus der Brandenburgisch Technischen Universität BTU teilt sich Franziska Dinter ein kleines Büro mit ihrem Forschungskollegen Christoph Jurischka. Beide stecken thematisch tief drin in dem Fachgebiet Multiparameterdiagnostik. Die Arbeitsgruppe entwickelt u.a. Laborverfahren, die in einer Probe von Körperflüssigkeit viele der Werte, die ein Arzt dem Labor in Auftrag gibt, messen können.
Forscherinnenkarriere begann mit EHEC-Keim
An diesem Tag stehen Kaffee und Kuchen auf dem Tisch von Franziska Dinter, sie feiert ihren 34. Geburtstag. Professor Peter Schierack schaut rein, um seiner Wissenschaftlichen Mitarbeiterin zum Geburtstag zu gratulieren. Seit über zehn Jahren baut er den Fachbereich Multiparameterdiagnostik an der BTU kontinuierlich aus. Er kennt Franziska Dinter schon seit ihrem Bachelorstudium. Weil die Uni das Studienfach Biotechnologie anbot, hatte sich die gebürtige Senftenbergerin für ein Studium in ihrer Heimatstadt entschieden. Inzwischen steht der Doktortitel vor ihrem Namen. In ihrer Dissertation befasste sie sich mit der Entwicklung wasserabstoßender Kunststoffkügelchen aus Acrylglas. Diese Mikropartikel sollten in einem neuartigen Test verwendet werden, um eine seltene Autoimmunkrankheit nachzuweisen, die zur Bildung von Thrombosen führt. Ihr Doktorvater war Peter Schierack. Er hat ihr gleich im Anschluss an die Promotion angeboten, im Forschungsvorhaben von NeuroMiR mitzuarbeiten. Das Projekt wird im Rahmen des „Regionalen unternehmerischen Bündnisses für Innovation – RUBIN“ vom Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert. Im Projektnamen stecken der Verweis auf neurodegenerative Erkrankungen und auf die microRNAs. Die Ribonukleinsäuren (RNA) sind neben der Desoxyribonukleinsäure (DNA) ein weiterer Baustein des Lebens. „Die Ribonukleinsäuren regulieren wichtige Prozesse in den Zellen und können deren Veränderungen widerspiegeln; gehören daher auch zu den sicheren Biomarkern, also zu Signalgebern für Erkrankungen“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Entwicklung eines Alzheimer-Bluttestes
Konkret geht es bei NeuroMiR um ein Testsystem, das im Blut von Patientinnen und Patienten Hinweise auf eine beginnende Alzheimererkrankung findet. Blut zu untersuchen, ist in diesem Forschungsfeld neu, denn bislang können Alzheimer-Biomarker nur mittels aufwendiger Verfahren in Flüssigkeiten aus dem Gehirn oder Rückenmark nachgewiesen werden.
Die Wissenschaftlerin hat ihren eigenen Part innerhalb dieses Forschungsvorhabens. Sie und ihr Team entwickeln spezielle wasserunlösliche Mikropartikel, auf die sogenannte „Fänger“ geklebt werden. Solche Fänger können zum Beispiel Antikörper sein, die für Krankheiten charakteristische microRNAs erkennen und zielgerichtet einfangen. Innerhalb des menschlichen Organismus werden Antikörper vom körpereigenen Immunsystem gebildet. Die Antikörper für den Alzheimer-Test stellen NeuroMiR-Partner künstlich im Labor her. Die wasserunlöslichen Mikropartikel mit den Antikörpern darauf werden in ein gelatineartiges Gel eingebettet, ein sogenanntes Hydrogel. Mit dem NeuroMiR-Partner PolyAn, einem Berliner Technologieunternehmen, das Verbrauchsmaterialien u.a. für Diagnostik und Forschung produziert, hat Franziska Dinter verschiedene wasserhaltige Gele geprüft und acht für den Alzheimer-Test geeignete herausgefunden. Sie vergleicht diese Hydrogele mit Netzen verschiedener Maschengrößen, durch die nur Biomarker bestimmter Größe durchpassen. „Wenn das Patientenblut auf diese Gele getropft wird, lassen sie nur die Biomarker für die Alzheimer-Erkrankung durch. Die werden dann von den Antikörpern eingefangen“, erklärt sie und zeigt am Fluoreszensmikroskop, dass dieser Vorgang gut zu beobachten ist. Denn die Mikropartikel können mit bestimmten Lichtwellen sichtbar gemacht werden.
Wenige Frauen im akademischen Umfeld
Kürzlich hatte Franziska Dinter auf einer NeuroMiR-Bündnisversammlung vorgestellt, dass die neue Technologie funktioniert. Die Forschungspartner waren beeindruckt – auch von der jungen Wissenschaftlerin. Sie ist eine der Frauen, die sich bewusst für einen Werdegang im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) entschieden hat und diesen erfolgreich gestaltet. Schon in der Schule haben ihr die Leistungskurse Mathe und Chemie Spaß gemacht, erzählt sie und dass sie im Gegensatz zu anderen Mädchen keine Bedenken hatte, ein Studium auf dem Gebiet der Naturwissenschaften abzuschließen. Auf dem Karriereweg in den akademischen Bereich wurden in ihrem Umfeld die Frauen immer weniger. „Während meiner Doktorarbeit hatte ich ausschließlich männliche Betreuer und immer das Gefühl, mehr leisten zu müssen als meine Kollegen. Auch nach ihrer Promotion haben es Frauen schwerer, die Sprossen auf der Karriereleiter zu erklimmen“, nennt sie als Grund, warum Frauen in MINT-Disziplinen immer noch unterrepräsentiert sind.
Eine Vorliebe für Paragraphen
Ganz beiläufig erwähnt Franziska Dinter, dass sie derzeit an der BTU noch zusätzlich den Master im Wirtschaftsrecht für Technologieunternehmen absolviert, weil dieses Fach aus ihrer Sicht eine Brücke sei von der Wissenschaft zur Wirtschaft schlägt. „Beim Management von Projekten kommt es nicht nur auf die fachliche Expertise an“, sagt sie und dass sie eine Vorliebe für Paragraphen hat. Sie will nicht ausschließen, vielleicht einmal in einem Technologieunternehmen zu arbeiten. Doch zunächst fokussiert sie sich ganz auf den Forschungserfolg von NeuroMiR.
Eine Frage stellt sich noch: Woher nimmt die Frau die Energie für all ihre Aktivitäten? Franziska Dinter lacht. Eine Lebensweisheit habe sie verinnerlicht: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Und auch Senftenberg spielt eine Rolle. „Das einstige Tagebau-Flutungsbecken hat sich zu einem Stadthafen gewandelt. Der gehört zu meinen Wohlfühlorten.“