Alte Gebäude retten mit neuen Technologien
Lehmbauteile aus dem 3D-Drucker und dämmende Textil-Elemente mit Gipsfüllung – mit solchen und vielen anderen Ideen will das WIR!-Bündnis „Vogtlandpioniere“ dem Leerstand und Verfall historischer Häuser im Vogtland entgegenwirken.
Holz und Lehm – mit diesen heimischen Baustoffen haben unsere Vorfahren schon vor Jahrhunderten ökologisch und ästhetisch anspruchsvoll gebaut. Auch im Vogtland stehen viele dieser traditionellen Fachwerkhäuser. Doch die alten Wände halten nicht ewig. Um sie vor dem Verfall zu retten, brauchen sie eine umfassende Sanierung. Die ist allerdings sehr aufwändig und teuer. Denn obwohl Lehm regional verfügbar ist, braucht es viel Erfahrung, handwerkliches Geschick und auch Zeit, um ihn zu verarbeiten. Die Lehmschichten müssen zwischendurch immer wieder trocknen. Das erschwert einen zügigen Bauablauf und erhöht die Kosten. Vorgefertigte Bauteile aus Lehm könnten diese Probleme lösen.
Historischer Baustoff modern interpretiert
Ein Team der „Vogtlandpioniere“ will nun ein Lehmgemisch für den 3D-Drucker entwickeln. Die auf diese Weise gefertigten Wandbauteile sollen spezielle physikalische Eigenschaften haben, um heutigen Ansprüchen, wie zum Beispiel einer guten Wärmedämmung, genügen zu können. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das sich das kleine Team aus einer regionalen Zimmerei, einem freien Architekten und dem Institut für Strukturleichtbau der Technischen Universität Chemnitz gestellt hat.
Sie wollen den gesamten Prozess von der Bestandsaufnahme des alten Gebäudes bis zur Herstellung der Bauteile digitalisieren und automatisieren. Visuelle 3D-Technologien sollen den Zustand der Wände analysieren. Und der Produktionsprozess – von der Mischung des Lehms, über den Druck, bis hin zur Trocknung – soll automatisiert ablaufen. Noch stehen die Projektpartnerinnen und -partner am Anfang ihrer Überlegungen, doch bis Ende 2025 wollen sie erste Ergebnisse vorlegen.
Funktional und recycelbar
Neben Lehm eignen sich auch Materialien wie Textilien und Gips für innovative Bauteile in alten Gemäuern. Die Textilindustrie ist im Vogtland traditionell stark und bis heute dort ansässig. Neue Einsatzmöglichkeiten von Textilien sind überlebenswichtig für die regionalen Unternehmen, und so ist die Textilausrüstung Pfand GmbH auch einer der Partner des Projekts „GIPSTEX“. Die Firma arbeitet zusammen mit der federführenden Materialforschungs- und -prüfanstalt der Bauhaus-Universität Weimar, einem Architekturbüro, einem Baumaschinenhersteller und dem Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e.V.
GIPSTEX will Wand- und Deckenmodule herstellen, die aus einer textilen Hülle mit Schaumgipsfüllung bestehen. Schaumgips ist eine Mischung aus Gips, Schaum und Leim. Die Textilien sind funktionalisiert, also wasserabweisend und isolierend. So eignen sich die Leichtbaumodule zur Wärmedämmung, zum Feuerschutz und werten Räume gleichzeitig ästhetisch auf. Letzteres soll eine geplante Installation im Geraer Kunsthaus M1 demonstrieren. An den Wänden und Decken ungenutzter Bauwerke installiert ermöglichen sie eine temporäre, aber auch langfristige Nutzung.
Wiederverwenden statt Wegwerfen
Um die Leichtbauteile herzustellen, ist nur wenig Energie nötig. Mit einer optimalen Gipsschaum-Mischung, die automatisiert in die textile Hülle gefüllt wird, sollen sie bald in die Serienfertigung kommen. Und auch an den Kreislauf hat das GIPSTEX-Team gedacht: Alle Materialien können wieder getrennt und komplett recycelt werden. Das Recycling von Baumaterialien ist ein wichtiger Aspekt beim Erhalt alter Bauwerke und somit auch für die Vogtlandpioniere. Schließlich sollen Materialien möglichst lange genutzt und wiederverwendet statt mit hohem Energieaufwand neu hergestellt werden. Deshalb beteiligt sich das WIR!-Bündnis am Aufbau des „Thüringer Materialverteilers“, einem Netzwerk zur Wiederverwendung von Baumaterialien. Viele in die Jahre gekommene Gebäude im Vogtland könnten auf diese Weise nachhaltig saniert werden, statt gut erhaltene Materialien einfach zu entsorgen.