Modellregion für digitalisierte Pflege
Ältere Menschen sollen ihren Alltag länger selbstständig bewältigen können. Dafür entwickeln ab sofort mehr als 100 Partner im südlichen Sachsen-Anhalt neue digitale Unterstützungsangebote.

Der Pflegenotstand betrifft die Menschen im südlichen Sachsen-Anhalt besonders stark. Nirgendwo in Deutschland ist der Anteil der über-65-Jährigen höher. Und die geburtenschwachen Jahrgänge können den Bedarf an Fachkräften in der Pflege und Gesundheitsversorgung nicht mehr abdecken.
„Digitale Technologien sollen helfen, diese Lücke zu schließen“, sagt Dr. Karl-Eugen Huthmacher, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium (BMBF), und betont: „Ganz wichtig dabei ist: Sie sollen sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.“ Wie das gelingen kann, zeigt die „Innovationsregion für die digitale Transformation von Pflege und Gesundheitsversorgung“ – kurz „TPG“. Neben Staatssekretär Huthmacher sind Anfang Februar rund 300 weitere Gäste ins Wasserzentrum nach Bitterfeld-Wolfen zur TPG-Auftaktveranstaltung gekommen.
Intelligente Medikamentenbox und smarter Rollator
Das Forschungsvorhaben TPG vereint mehr als 100 Partner aus dem südlichen Sachsen-Anhalt, darunter Akteure aus Gesundheitswirtschaft, Wissenschaft, Kreativwirtschaft sowie Technologieentwicklung. Gemeinsam arbeiten sie u.a. an einer intelligenten Medikamentenbox, die ältere Menschen an die Arznei-Einnahme erinnert. Auch ein Navigationssystem für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen haben sie auf der Agenda, oder einen smarten, selbstfahrenden Rollator, der den Bewegungsapparat nach Operationen trainiert.
„Kernziel von TPG ist es, die Pflegebedürftigkeit der Menschen so lange wie möglich oder sogar ganz zu vermeiden“, erklärt der wissenschaftliche Projektleiter Patrick Jahn von der Universitätsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Dafür stellen wir ihnen digitale Hilfsmittel zur autonomen Bewältigung ihres Alltags zur Verfügung. Und auch die betreuenden Angehörigen sollen entlastet werden“. Wichtig dabei sei, dass die Produkte gemeinsam mit den Menschen vor Ort durch Ausprobieren und Sammeln von Erfahrungen entwickelt würden. Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne spricht vom Wandel der Region mit der ältesten Bevölkerung zu einer Modellregion für digital unterstützte Pflege und Gesundheitsversorgung. „Wir erproben hier in der Praxis, was dann in ganz Deutschland eingesetzt werden kann.“
Wissensvorsprung dank WIR!
Dabei baut TPG auf den Erfolgen des WIR!-Bündnisses „TDG“ auf. Die „Translationsregion für digitale Gesundheitsversorgung“ entwickelte digitale Serviceangebote und Produkte für die Pflege vor allem im ländlichen Raum. TDG habe der Region deutschlandweit zu einem großen Wissensvorsprung verholfen, freut sich Huthmacher, der die Region gut kennt: Bereits in den 1990er-Jahren trieb er hier für das Bundesumweltministerium die Umweltsanierung voran.
Die Forschungsergebnisse von TDG haben nun wesentlich dazu beigetragen, dass das BMBF in den nächsten neun Jahren weitere ca. 140 Millionen Euro ins Mitteldeutsche Revier investiert. Davon sollen dann nicht nur der Süden Sachsen-Anhalts profitieren – sondern insbesondere die Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft.