Ist weniger mehr? Die 4-Tage-Woche im Praxistest
Steigt die Motivation, wenn wir vier statt fünf Tage arbeiten? Oder eher der Stress, das Arbeitspensum in kürzerer Zeit zu schaffen? Das Ilmenauer REGION.innovativ-Bündnis InnoFARM hat das gemeinsam mit zwei Thüringer Unternehmen unter die Lupe genommen.
Es klingt verheißungsvoll: Nur vier statt fünf Tage in der Woche arbeiten. Zwar bei gleicher Wochenarbeitszeit aber dafür einen Tag mehr frei unter der Woche. Wie das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich empfinden und wie die Unternehmensführung das einschätzt, haben Forschende von InnoFARM ein Jahr lang in einem Praxistest untersucht. Die beiden Thüringer Mittelständler DEGUMA Schütz GmbH und LINDIG Fördertechnik GmbH waren mit an Bord. Deren Mitarbeitende haben sich vor, während und nach dem Test in insgesamt 164 Interviews befragen lassen. Wie wirkt sich der zusätzliche freie Tag auf das Wohlbefinden aus? Und wie entwickeln sich die Produktivität und Kundenzufriedenheit, aber auch der Krankenstand im Unternehmen? Das sind nur einige der Fragen, die Arbeitswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau gestellt haben.
Einerseits – Andererseits
Die Erfahrungen der beiden Firmen sind sehr unterschiedlich. Während bei der DEGUMA das gesamte Unternehmen an dem 4-Tage-Woche-Test teilgenommen hat, war es bei LINDIG nur ein Teil der Belegschaft. Außerdem haben die Betriebe verschiedene Modelle der 4-Tage-Woche getestet. So wurde entweder ein ganzer Arbeitsbereich an einem Tag in der Woche geschlossen, zum Beispiel in der Maschinenhalle. Oder die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten wählen, an welchem Tag der Woche sie frei haben wollen. In einem dritten Modell wurden die Beschäftigten in Teams mit unterschiedlichen Arbeitstagen aufgeteilt: von Montag bis Donnerstag und von Dienstag bis Freitag.
Nach der Testphase berichteten einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Interviews, dass sie einen stärkeren Druck empfanden, in den vier Arbeitstagen ihr Arbeitspensum zu schaffen. Sie hatten das Gefühl, sich den freien Tag „verdienen“ zu müssen und bewerteten die 4-Tage-Woche nicht durchweg positiv. Für andere wiederum war der zusätzliche freie Tag in der Woche sehr erholsam. In den Interviews gaben sie an, dass sie dadurch fokussierter arbeiten konnten und die Atmosphäre in der Firma entspannter war.
Insgesamt hat die Untersuchung gezeigt, dass die Produktivität zwar nicht gestiegen ist, die Kundenzufriedenheit jedoch gleichbleibend gut war und der Krankenstand in einem Unternehmen signifikant gesunken ist. Zudem führte der Test dazu, dass die Firmen ihre Arbeitsorganisation überdacht und verändert haben. Ein Effekt, der langfristig Wirkung zeigt – mit oder ohne 4-Tage-Woche.
Vom Test zum neuen Arbeitszeitmodell
Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Praxistest: Die Organisation der Arbeitsabläufe entscheidet letztlich über den Erfolg oder Misserfolg der 4-Tage-Woche. Dazu gehört ein organisatorischer Slack. Das sind zusätzliche Ressourcen, um flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Also zum Beispiel Mitarbeitende, die im Notfall einspringen können. Ist ein solcher Puffer vorhanden, sinkt das Stressniveau.
Das Maschinenbauunternehmen DEGUMA-SCHÜTZ GmbH hat sich sehr stark auf organisatorische Maßnahmen fokussiert: „Wir haben die Prozesse und die Zusammenarbeit optimiert“, sagt die Inhaberin und eine der beiden Geschäftsführerinnen Viktoria Schütz. „Es hat eine Weile gebraucht, bis sich alles eingespielt hat, aber weil wir alle an einem Strang ziehen, funktioniert es für uns letztendlich nachhaltig.“
Die DEGUMA will die 4-Tage-Woche nach der einjährigen Testphase beibehalten – mit neun Arbeitsstunden pro Tag, bei vollem Lohnausgleich. Die Firmenleitung ist davon überzeugt, dass sie zu einer ausgewogeneren Work-Life-Balance der Mitarbeitenden führt und langfristig die Leistungsfähigkeit des Unternehmens steigert.
Innovative Arbeitsmethoden gegen Fachkräftemangel
Das Bündnis InnoFARM hat mit dem Langzeittest zur 4-Tage-Woche einen Meilenstein erreicht. Doch das Projekt steht nur für eine von vielen spannenden Methoden der Arbeitswelt von morgen, die Forschende untersucht haben. Dazu gehören auch Co-Working-Spaces als flexible Form der Zusammenarbeit oder Innovationsräume, in denen Mitarbeitende ihre Kreativität frei entfalten können. Um ihre Erkenntnisse in die Wirtschaft zu transferieren, arbeitet InnoFARM eng mit der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (THAFF) zusammen. Eine gemeinsame digitale Plattform ist der Start zur Verstetigung des Bündnisses. Auch künftig wollen die Forschenden regionale Unternehmen über innovative Arbeitsmethoden informieren, um Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden.