Lokal und erneuerbar – Wasserstofftechnologien aus Thüringen : Datum:
Wasserstoff vor Ort mithilfe regenerativer Energien zu erzeugen und direkt zum Abnehmer zu transportieren – diese Idee verfolgt ein Team des WIR!-Bündnisses h2-well in Thüringen. Obwohl es zunächst kleine Mengen und kleine Abnehmer sind, lässt sich das Modell auch größer denken.
„Wir wollen ein Komplettsystem entwickeln: von der Erzeugung über den Transport auf der Straße bis hin zu einem Klein-Abnehmer, der nur geringe technische Voraussetzungen braucht“, sagt Mark Jentsch, Leiter des h2-well-Bündnisses und Inhaber des Lehrstuhls für Energiesysteme an der Bauhaus-Universität Weimar. Besser lässt sich das Vorhaben „h2-well-compact“, eines der Schlüsselprojekte des Bündnisses, nicht auf den Punkt bringen. Das Thüringer Team setzt auf die dezentrale Erzeugung kleiner Mengen Wasserstoff aus regenerativen Quellen, die direkt vor Ort genutzt werden, ohne lange Transportwege. Warum dezentral? „Der Vorteil an dem System ist, kleine Abnehmer beliefern zu können, die gleichzeitig geringere Investitionskosten haben“, so Jentsch. Denn durch das Bündnis kann auch teilweise auf teure Technik verzichtet werden.
Grün, dezentral und kostensparend
Für das Modellprojekt soll ein Gabelstapler mit Wasserstoff betrieben werden, den eine regionale Firma rund um die Uhr für Fahrten in einem Lager einsetzt. Der fahrende Helfer muss jederzeit betriebsbereit sein, ohne lange Wartezeiten für das Auftanken. Mit Wasserstoff ist das kein Problem. Das Team von h2-well-compact will sogar grünen Wasserstoff liefern, der aus einer erneuerbaren Quelle gewonnen wird, einer Kleinwasserkraftanlage im thüringischen Apolda. Dort stellen die Projektpartner demnächst eine speziell dafür entwickelte Elektrolyse-Anlage auf. Elektrolyse bedeutet, dass Wasser mithilfe von elektrischem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird. Der Strom kommt in diesem Fall aus der Kleinwasserkraftanlage. „Wir können bis zu 0,5 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde erzeugen“, sagt Saskia Wagner, die Koordinatorin des Projektes. „Die Besonderheit ist, dass der Wasserstoff schon mit einem Druck von 100 bar erzeugt wird und deshalb ohne Verdichtung direkt in Gasbehältern gespeichert werden kann.“ Erst für den Transport muss der Wasserstoff erneut mit einem Druck von 300 bar verdichtet werden. Dafür hat der Kooperationspartner MAXIMATOR GmbH aus Nordhausen einen mobilen Verdichter gebaut. Der große Druck ist notwendig, um die Energiedichte des Wasserstoffs zu erhöhen, der dann in einem großen Container per LKW zum Zielort gelangt.
Vom kleinen Modell zum flächendeckenden Einsatz
Zielort ist eine kompakte Tankstelle direkt auf dem Firmengelände, die im Rahmen des Projektes ebenfalls von der MAXIMATOR GmbH entwickelt worden ist. An dieser neuartigen Tankstelle können Fahrzeuge direkt betankt werden. Ein zusätzlicher Verdichter, der bei konventionellen Wasserstoff-Tankstellen hohe Kosten verursacht, ist nicht notwendig. Neben der Betankung von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen ist die kostensparende Lieferung auch für Betriebe interessant, die Wasserstoff für technologische Prozesse benötigen. „Dort könnten Tanks direkt auf dem Gelände stehen, die regelmäßig mit Wasserstoff befüllt werden“, so Mark Jentsch. Um herauszufinden, wie das Modellprojekt von h2-well-compact auch in größeren Dimensionen umgesetzt werden könnte, entwickeln die Forschenden ein Software-Tool. Gleichzeitig arbeitet der Unternehmenspartner IMG Electronic & Power Systems GmbH Nordhausen an einem Prognose-Programm, das berechnet, wie mehrere solcher Anlagen effizient betrieben werden: Wann ist wo welcher Bedarf an Wasserstoff, wann muss nachgetankt werden und welche Route bietet sich für die Lieferung an? Für die Thüringer Wirtschaft, mit vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, können die Technologien von h2-well-compact durchaus relevant sein. „Wenn es viele kleine Erzeuger und Abnehmer gäbe, gibt es natürlich auch wieder Synergie-Effekte für die von uns entwickelten Produkte“, meint Projektkoordinatorin Saskia Wagner.
Schon heute für Ideen von morgen sorgen
Thüringen als Modellregion für neue Wasserstofftechnologien zu etablieren, das will auch der h2-well-Bündnispartner HySON. HySON steht für Hydrogen (Wasserstoff) und Sonneberg. Das gleichnamige Institut ist die erste Einrichtung für Wasserstoff-Forschung in Thüringen. Gerade ist der Neubau des Forschungsgebäudes feierlich eingeweiht worden. Unter den 200 Gästen war auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee, der in der Wasserstoffnutzung große Chancen für die regionale Wirtschaft sieht. Um diese Chancen auch in Zukunft auszubauen, ist Nachwuchs wichtig. Das WIR!-Bündnis h2-well hat deshalb einen Ideenwettbewerb für Schülerinnen und Schüler ab der neunten Klasse ausgerufen. Unter dem Motto: „Grüner Wasserstoff lokal – mehr H2, weniger CO2“ haben sich elf Teams aus Berufsschulen und Gymnasien mit einfallsreichen Konzepten beworben. Drei von ihnen haben dafür einen Preis gewonnen. Ihre Ideen für die Nutzung von grünem Wasserstoff reichen von Kraftstoff für öffentliche Verkehrsmittel bis hin zur kostensparenden Strom- und Wärmeversorgung von Schulen und Stadtvierteln. Junge Menschen einbeziehen und anwendungsbereite, nachhaltige Wasserstoff-Technologien zur Deckung des Energiebedarfs entwickeln – mit dieser weitsichtigen Strategie nimmt das WIR!-Bündnis h2-well eine Vorreiterrolle ein, auch über die Grenzen Thüringens hinaus.