Maden verwandeln sich zu Düften
Miltitz Aromatics in Bitterfeld stellt Riechstoffe auf Erdölbasis her und will den Prozess auf nachhaltige Rohstoffe umstellen. Als Partner bietet sich der Insektenzüchter „madebymade“ an. „Maden für Düfte“ heißt das gemeinsame Vorhaben.
„Gerüche beeinflussen unser Wohlbefinden, und sie transportieren Erinnerungen und Emotionen – ein Leben lang. Unsere Riechorgane werden nicht müde, vorausgesetzt, sie sind gesund“, sagt Stefan Müller, Geschäftsführer der Miltitz Aromatics GmbH. „Riech- und Aromastoffe“ steht auf seinem Firmenschild im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen. Frischedüfte für Waschmittel oder Fruchtaromen für Joghurts und allen voran viele Basisstoffe für Parfüms nehmen ihren Anfang hier im Chemielabor. Einst wurden Duftstoffe aus Blumen- und Tiersekreten gewonnen. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich mit der Herstellung künstlicher ein neuer Industriezweig. „Allerdings werden unsere künstlichen Riechstoffe aus Erdöl hergestellt“, bedauert Stefan Müller und dass sich sowohl die Kunden als auch er als Unternehmer ressourcenschonendere Herstellungsprozesse wünschen. Ein Drittel der 45-köpfigen Belegschaft von Miltitz Aromatics forscht zu diesem Thema. Mit seiner Vision, künftig Riechstoffe auf biologischer Basis herzustellen, kam Müller zu BioZ. „Biobasierte Innovation aus Zeitz und Mitteldeutschland“ ist der Langname des Bündnisses, das aus dem Programm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.
Vom Bio-Abfall zum Riechstoff
Auch der Biologe Jonas Finck gehört zum BioZ-Netzwerk. Finck ist das erste Mal zu Gast im Chemiepark in der Riechstoffstraße 1. Prompt wird er zur Geruchsprobe eingeladen. Stefan Müller stellt einen Flakon von Chanel No. 5 auf den Tisch. Die französische Modeschöpferin Coco Chanel brachte das Parfüm 1921 auf den Markt. Noch über 100 Jahre später ist es das meistverkaufte der Welt. Ein Basis-Riechstoff dieses berühmten Frauenduftes heißt ganz unspektakulär C12MNA und wird aktuell auch bei Miltitz Aromatics hergestellt. Jonas Finck will helfen, dass dies künftig unabhängig von Erdöl geschieht. Sein Mitbringsel: Ein Beutel voller Maden, die aus den Eiern der Soldatenfliege geschlüpft sind. Wie aus dem Erdöl kann auch aus dem Madenfett in mehreren Schritten Laurinsäure absorbiert werden. Diese ist zur Herstellung von Düften unentbehrlich. Jonas Finck und Stefan Müller haben auf einer BioZ-Veranstaltung zueinander gefunden. Finck ist Mitbegründer der madebymade GmbH, die in Pegau bei Leipzig eine industrielle Insektenzucht betreibt. Beste Nahrungsgrundlage für die Fliegenmaden sind die biologischen Reststoffe aus den lebensmittelverarbeitenden Betrieben, von denen es hier zu Genüge gibt. Die Region ist das Zentrum der Nahrungsmittelindustrie Mitteldeutschlands. „Ein Gemisch aus deren verschiedenen Abfällen ist für die Biogasanlagen aber nicht geeignet, weil die mit gleichartigen Abfällen betrieben werden müssen“, erklärt Jonas Finck die Gründungsidee für sein Unternehmen. Die Bio-Abfälle sind ideale Nahrungsgrundlage für Insekten, aus denen proteinhaltiges Tierfutter sowie Naturdünger hergestellt wird. Mit dem laurinhaltigen Madenfett will sich Madebymade ein weiteres Geschäftsfeld erschließen.
Eine regionale Wertschöpfungskette
„Wir verwenden das biogene Ausgangsmaterial, das vor unserer Haustür, abfällt‘ und begründen eine regional angesiedelte Wertschöpfungskette vom Bioabfall über die Made und deren Fett bis zur Gewinnung von Laurinsäure und der Herstellung von Riechstoffen“, skizziert Stefan Müller das Ziel des BioZ-Projektes, das sie „Made for Fragrances“ – „Maden für Düfte“ nennen. Stefan Müller führt seinen Besuch in eines seiner Labore. In einer Destillationsanlage wird das Rohprodukt der C12-Fettsäure, also die Laurinsäure, verfeinert bis am Ende ein hochwertiges Destillat für den Basisriechstoff C12MNA gewonnen ist. „Wenn unsere Duftstoffe künftig nicht mehr auf Erdölbasis hergestellt sind, wird das vor allem die Kosmetik-Branche begrüßen, denn Nachhaltigkeit ist inzwischen ein sehr wichtiges Kaufkriterium“, sagt der Chef von Miltitz Aromatics. Was die Kundenakzeptanz von Parfüm aus Madenfett betrifft – das weiß Müller aber auch – bedürfe es noch einiger Geduld und des offenen Diskurses. „Doch die Zeit der Normalität von Insekten als Nahrungs- und Rohstoffgrundlage kommt“, ist sich der Unternehmer ganz sicher.