Neue Testanlage für Wärmespeicher steht in Zittau

Wenn im Seminarraum der Hochschule in Zittau ein Oberbürgermeister Platz nimmt, dann steht Großes bevor. Thomas Zenker ist gekommen, um eine technische Anlage für die Wärmespeicherentwicklung einzuweihen, die für seine Stadt eine Sogwirkung entwickeln soll.

Oberbürgermeister Zenker lässt sich die Funktionsweise erklären.
Oberbürgermeister Zenker lässt sich die Funktionsweise erklären. © Sven Müller, Hochschule Zittau-Görlitz

Die verlorene Energiequelle

Im Zittauer Kraftwerkslabor steht das containergroße neue Arbeitsgerät, das die Tür aufstoßen soll zu einer konsequenten Nutzung von industrieller Abwärme. Diese entsteht beispielsweise bei der thermischen Formgebung, in Stahlwerken und Gießereien, aber auch beim Erhitzen unterschiedlichster Werkstoffe. Doch die Speicherung und Nutzung der Abwärme als Energiequelle im Rahmen der Energiewende steckt noch in den Kinderschuhen. So bewertet es jedenfalls Prof. Jens Meinert von der Hochschule Zittau/Görlitz: „Laut Statistik werden in der Bundesrepublik jährlich 440 Milliarden Kilowattstunden Prozesswärme durch die Industrie verbraucht. Davon werden aber aktuell nur etwa 6 Prozent aus erneuerbaren Energien bereitgestellt – in der Mehrzahl stammt sie heute aus fossilen Quellen. Das kann und muss sich ändern.“

Das innovative Herz

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Entwicklung druckloser Wärmespeicher für die effiziente Nutzung industrieller Abwärme (Projekt EDWENIA) im Rahmen des WIR!-Bündnisses „Lausitz – Life & Technology“. In dem Projekt arbeiten die Hochschule Zittau/Görlitz und die Kraftwerke- und Maschinenanlagen Instandhaltung GmbH in Hagenwerder eng zusammen.

Im Kraftwerkslabor weist Christoph Ebermann, Forschungsmitarbeiter an der Fakultät Maschinenwesen, an der Testanlage auf die zahlreichen Anschluss-Schläuche hin. Sie liefern Wasser oder Öl mit unterschiedlichen Temperaturen und Volumenströmen, was beides zur Untersuchung von Wärmespeichern genutzt wird. 

Zunächst werden mit der vom Projekt entwickelten Anlage sogenannte Zweistoff-Wärmespeicher untersucht. Zweistoff-Wärmespeicher deshalb, weil Öl und Mineralgestein als Speichermedien kombiniert werden, indem das heiße Öl seine Wärmeenergie an das Mineralgestein abgibt. So kann industrielle Abwärme bis 350 Grad Celsius effizient und kostengünstig gespeichert werden. Wie dieser Prozess optimal gesteuert werden kann – sollen die Mess- und Versuchsreihen an der neuen Testanlage zeigen. 

Die Anlage verfügt über vier mit Sensoren ausgestattete Messplätze sowie eine elektrische Heizleistung von bis zu 100 Kilowatt und eine adäquate Kühlleistung. Des Weiteren sind in ihr eine automatisierte Steuerung und Datenerfassung verbaut. Alle dies, besonders die nutzbare Heizleistung sowie die mögliche Arbeitstemperatur von bis zu 350 Grad Celsius, verleiht der Anlage ein Alleinstellungsmerkmal weit über die Grenzen der Region hinaus.

Die Suche nach dem richtigen Stein

Steine sind ein wunderbarer Wärmespeicher. Ob in der Sauna, im Kachelofen oder in einer mediterranen Trockenmauer im Olivenhain – einmal auf Temperatur gebracht, lassen sie die wohlige Wärme nur langsam wieder los. Die Diplomingenieure Christoph Ebermann und Thomas Grabowsky vom EDWENIA-Projektteam nutzen diese Wärmehalteeigenschaft für die Entwicklung der innovativen Zweistoff-Wärmespeicher.

Das Team unter Leitung von Prof. Jens Meinert hat in über 30 Steinbrüchen der Dreiländerregion Deutschland, Polen und Tschechien Proben gesammelt: Granit, Basalt und diverse andere Mineralien. Deren Eigenschaften müssen nun im Labor getestet werden, um auf den entsprechenden Messungen aufbauend eine verlässliche Datenbank zu entwickeln. Sie soll Aufschluss darüber geben, welches Gestein für welchen Temperaturbereich zur Wärmespeicherung geeignet ist. Mehrere hundert Messzyklen sind erforderlich, zum Beispiel um zu testen, welches Gestein mit Thermoöl kompatibel ist. Diese Ergebnisse werden wegweisend sein für regionale Unternehmen, die für die Zeit nach der Braunkohle neue Geschäftsfelder finden müssen. Die Speicherung von Abwärme aus der verarbeitenden Wirtschaft könnte eines davon werden.

Bedeutung für die Region

Nach einer Online-Umfrage der Hochschule Zittau/Görlitz verfügen drei Viertel der Unternehmen der verarbeitenden Wirtschaft in der Oberlausitz über Prozessabwärme, die auf unterschiedliche Weise genutzt werden könnte, wenn praxistaugliche und effiziente Wärmespeicher auf dem Markt wären. Potenzielle Hersteller gibt es nicht nur in Hagenwerder. Und es war sicher auch kein Zufall, dass leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtwerke Zittau und Weißwasser bei der Einweihung der Testanlage vor Ort waren. Somit ist klar: Wenn es dem WIR!-Bündnis „Lausitz – Life & Technology“ gelingt, die Wärmespeicherung zu transformieren, steht der Region Großes bevor.