Standard statt Einzelfall: Bauen mit Carbonbeton : Datum:
Mit Carbonbeton statt mit Stahlbeton zu bauen, ermöglicht Materialeinsparungen von bis zu 80 Prozent. Das schont Ressourcen und reduziert den CO2-Ausstoß. Doch in Deutschland darf Carbonbeton bisher nur im Einzelfall genutzt werden. Das sächsische RUBIN-Bündnis Industriestandard Carbonbeton (ISC) will das ändern.
20 Millionen Tonnen CO2 stößt die deutsche Zementindustrie aus – jedes Jahr. Fast acht Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen entstehen bei der Herstellung von Zement, dem Bindemittel und Hauptbestandteil von Beton. Global gesehen wird mit Beton am häufigsten gebaut, vor allem mit Stahlbeton. Damit der stabilisierende, aber korrosionsanfällige Stahl nicht rostet, muss er von einer sehr dicken Betonschicht umgeben sein. Viel Beton bedeutet auch viel Zement und damit einen hohen CO2-Ausstoß. Anders bei Carbonbeton: Rost ist hier kein Thema. Die Betonschicht, von der die Carbonstäbe oder -matten umgeben sind, kann deshalb viel dünner sein. Das spart bis zu 80 Prozent Beton. Gleichzeitig ist Carbonbeton äußerst langlebig. Mindestens 100 Jahre hält das Material, bei Stahlbeton sind es gerade mal 40 Jahre, insbesondere bei Brücken.
Aussichtsreiche Einzelfälle
Dennoch gibt es in Deutschland bisher überwiegend nur Pilotprojekte mit dem ressourcenschonenden Baustoff. Im Rahmen dieser wird Carbonbeton unter anderem zur Sanierung maroder Brücken eingesetzt. Die Entwicklung und der Bau des weltweit ersten Gebäudes aus Carbonbeton ist im Rahmen des Programms Zwanzig20 vom Bundesforschungsministerium gefördert und 2022 in Dresden eingeweiht worden. „Inzwischen gibt es circa 100 Bauprojekte mit Carbonbeton in Deutschland“, sagt Alexander Schumann, Geschäftsführer der Dresdner CARBOCON GmbH und Sprecher des RUBIN-Bündnisses. „Das klingt viel, ist aber nicht einmal ein Prozent des gesamten Bauaufkommens in unserem Land.“
Das Problem: All diese Bauwerke brauchen eine sogenannte Zustimmung im Einzelfall, da Carbonbeton in Deutschland noch nicht standardmäßig als Baustoff zugelassen ist. Einzelfallgenehmigungen sind jedoch sehr aufwändig und teuer, was Bauherren bisher von der Nutzung des ressourcenschonenden Materials abhält.
Hilfreiches Handbuch
Ein Industriestandard für das Bauen mit Carbonbeton, also ein Leitfaden, an den sich alle halten können, würde das ändern. Genau daran arbeitet das RUBIN-Bündnis ISC. „Wir wollen ein praxisnahes Handbuch schaffen, ein Hilfsmittel, das zeigt, wo es langgeht“, so Schumann. „Und wir wollen die Wirtschaftlichkeit des Bauens mit Carbonbeton erhöhen, indem die Prozesse standardisiert ablaufen – von der Planung über die Ausschreibung bis zur Durchführung.“ Das würde die Kosten für Bauvorhaben mit Carbonbeton deutlich reduzieren. Abgesehen von den positiven Auswirkungen auf die Umwelt durch die Materialersparnis und die längere Haltbarkeit der Bauwerke.
Sprung in die Praxis
Auf einer Anwenderkonferenz in Dresden, die das RUBIN-Bündnis organisiert hat, haben sich knapp 100 Fachleute aus Sachsen und ganz Deutschland getroffen. Das zeigt das große Interesse vieler Baufirmen und Planungsbüros. „Auf unserer Veranstaltung wollen wir die Anwenderinnen und Anwender ansprechen, damit Carbonbeton nicht länger ein Nischenprodukt bleibt“, erklärt Alexander Schumann die Motivation des Bündnisses. Der neue Baustoff soll den Sprung von der Forschung in die Praxis schaffen. Neben der Erstellung von Standards für das Bauen mit Carbonbeton arbeiten die Forschenden im RUBIN-Bündnis ISC auch an der Weiterentwicklung des Materials. Dazu gehört zum Beispiel, das Carbongitter im Inneren des Betons mit bestimmten Funktionen wie Heizung oder Sensorik zu versehen. RUBIN-Sprecher Alexander Schumann sieht darin große Chancen: „Neue Produktideen münden in die Gründung neuer Firmen, die wiederum die regionale Wirtschaft stärken.“ Ein Gewinn für die Region, aber auch für das gesamte Bauwesen, das durch die breitere Nutzung von Carbonbeton einen wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gehen kann.