Wettbewerbsfähigkeit stärken – Abwanderung stoppen : Datum:
In der Lausitz gibt es nicht nur große Tagebaue, sondern auch kleine Kunststoff-, Textil- und Leichtbauunternehmen. Die T!Raum-Initiative „syntral“ will deren Knowhow nutzen, durch Wissenstransfer vermehren und jungen Menschen Perspektiven bieten.

Jahrzehntelang haben die Menschen in der Lausitz von der Kohle gelebt, doch das hat sich geändert. Damit ein positiver Wandel in der Region gelingen kann, will sich das sächsische Bündnis syntral mit seinen Ideen einbringen. Und zwar direkt vor Ort. „Ich gehe Klinkenputzen bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und trage unser Konzept in Stadtverordneten-Versammlungen vor“, sagt Projektleiter Mike Thieme. Offenbar mit Erfolg: „Die Leute kommen nach den Versammlungen zu mir. Sie finden die Ideen gut und wollen sich unbedingt beteiligen.“ Zu den Unterstützerinnen und Unterstützern gehören unter anderem die Oberbürgermeister von Hoyerswerda und Bischofswerda, die Bürgermeisterin von Spremberg und ihr Bernsdorfer Kollege. Der promovierte Ingenieur Mike Thieme versteht die Menschen in der Lausitz. Er kommt selbst aus der Region und lebt mit seiner Familie bis heute in seiner Heimat. Zur Arbeit am Institut für Leichtbau- und Kunststofftechnik der Technischen Universität Dresden pendelt er.
Potenzial nutzen – Wissen weitergeben
17 regionale Partner haben sich bei der T!Raum-Initiative „syntral“ bereits zusammengefunden, darunter Forschungseinrichtungen, Bildungsträger und Industrieverbände. Gemeinsam wollen sie die Potenziale kleiner Unternehmen in der Lausitz nutzen. Denn es gibt in der Region viele Leicht- und Maschinenbaubetriebe sowie Kunststoff- und Textilunternehmen. Syntral will deren Knowhow bündeln und einen innovativen systemischen Leichtbau in der Lausitz aufbauen. Systemisch bedeutet, Leichtbau für alle Bestandteile verschiedener technischer Systeme zu nutzen, um deren Gewicht, den Ressourceneinsatz und die Herstellungskosten zu reduzieren.
Ein Beispiel dafür sind faserverstärkte Kunststoffbauteile. Spezielle Fasern, beispielsweise aus Carbon, werden mit dem Kunststoff verbunden und sorgen so für eine höhere Stabilität des Bauteils. Textil- und Kunststoffbetriebe könnten dafür ihr Wissen einbringen, regionale Maschinenbauer für die Herstellung der Bauteile sorgen. In der Lausitz gibt es über 120 kleine und mittlere Unternehmen in diesen Bereichen, die momentan stark auf die Zulieferung der Automobilindustrie fokussiert sind. Die T!Raum-Initiative will stattdessen eine Vernetzung der Betriebe im Sinne einer regionalen Kreislaufwirtschaft aufbauen. Unterstützung sollen die kleinen Unternehmen von den beteiligten Forschungseinrichtungen bekommen, die ihr Wissen auf diese Weise in die Anwendung bringen. Dabei geht „syntral“ einen neuen Weg: „Wir wollen das mal umdrehen“, erläutert Mike Thieme. „Das heißt, wir sagen den Unternehmen nicht: Ihr könnt gerne kommen, und wir sitzen derweil in unseren schönen weißen Forschertürmen. Sondern wir gehen direkt in die Lausitz und nutzen die funktionierenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen für den Transfer.“
Neue Perspektiven – weniger Abwanderung
Um das zu erreichen, wollen die Partnerinnen und Partner des Bündnisses die Menschen in der Region mitnehmen, sie für ihre Ideen begeistern – und zwar alle Altersklassen. Geplant ist zum Beispiel ein Leichtbau-Brettspiel für die ganze Familie, um auch Kinder schon mit der Technologie in Kontakt zu bringen. Auch eine kleine Buchreihe für Kinder mit dem Namen „Luise – die Lausitzer Leichtbauingenieurin“ ist geplant. Nachwuchsgewinnung ist ein wichtiges Thema. Deshalb will die T!Raum-Intiative auch neuartige Ausbildungsangebote für junge Leute schaffen.

„Wir holen die Jungend dort ab, wo sie sich wohl fühlt: im digitalen Raum“, sagt Mike Thieme. „Wir können die Ausbildung zum Beispiel spielerisch gestalten. Die Azubis erreichen dann immer höhere Level, wenn sie bestimmte Aufgaben lösen.“ Interaktives Lernen mithilfe virtueller Realität statt langweiliger Online-Kurse – dieses Ziel verfolgt „syntral“. „Wenn die jungen Leute dann nicht mehr fünfmal die Woche zur Berufsschule in die Großstadt fahren müssen, sondern nur alle 14 Tage, haben wir ganz viel erreicht“, so Thieme. Denn dann würden weniger für die Ausbildung in die Stadt ziehen, um sich die Fahrerei zu sparen. Wenn die jungen Menschen stattdessen in der Region bleiben, können wiederum die regionalen Betriebe profitieren, die dringend Nachwuchs brauchen. Mit neuen, innovativen Leichtbauprodukten würden außerdem interessante Jobs geschaffen, die jungen Menschen bessere Perspektiven in ihrer Heimat bieten. Das soll Abwanderung verhindern. Gleichzeitig könnten Lausitzer Unternehmen die von „syntral“ entwickelten digitalen Konzepte für die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden nutzen. Mike Thieme fasst es so zusammen: „Mithilfe unseres Projekts sollen die Leute wieder lernen, dass sie selbst wirksam sein können.“