Wider die Vergesslichkeit : Datum:

Im letzten Jahr sind in Deutschland mehr als 1,8 Millionen Menschen über 65 an Demenz erkrankt – Tendenz steigend. Das Forschungsprojekt „TEAM“ will im Rahmen des Thüringer WIR!-Bündnisses „WeCaRe“ eine frühere Diagnose und individuelles Gedächtnistraining entwickeln, um den geistigen Abbau aufzuhalten.

Isabell Utech beobachtet eine Probandin.
Die Psychologin Isabell Utech beobachtet eine Probandin bei dem von TEAM entwickelten Test, mit dem das Risiko einer Demenzerkrankung schon früh erkannt werden soll. © WeCaRe-Agentur

„Bis zum Jahr 2050, so Schätzungen, wird es einen explosionsartigen Anstieg der Demenzerkrankungen geben. Bei der jetzigen Lebenserwartung wird jede zweite Frau und jeder dritte Mann an Demenz erkranken“, sagt Kathrin Finke, Professorin und Psychologin in der Neurologie des Uniklinikums Jena sowie Projektleiterin von TEAM. „Es wird niemand daran vorbeikommen, in der eigenen Familie  oder im beruflichen Umfeld direkt oder indirekt von der Krankheit betroffen zu sein.“ Schon jetzt gibt es in Ostdeutschland, gemessen an der Gesamtbevölkerung, besonders viele Demenz-Patienten. Das hat mit dem Altersdurchschnitt zu tun, der im Osten Deutschlands höher ist. Denn auch wenn Demenz nicht nur alte Menschen betrifft, steigt doch das Risiko, im Alter daran zu erkranken. Damit Menschen, die erste Symptome einer Alzheimer-Erkrankung haben, möglichst keine Demenz entwickeln, können eine gesündere Lebensführung und kognitives Training helfen. Dafür muss die Krankheit jedoch früh erkannt werden – je früher desto besser. Doch genau da liegt das Problem: „Für die Vorstufen von Demenz und Patienten, die ein erhöhtes Risiko für Demenz haben, fehlt ein sicheres und schnelles Diagnoseverfahren“, sagt Kathrin Finke. Momentan sind dafür umfangreiche Untersuchungen notwendig, die nur speziell ausgebildetes medizinisches und psychologisches Personal durchführen kann. Für ältere Menschen im ländlichen Raum sind entsprechende Kliniken jedoch meist schwer zu erreichen.

Demenz früh erkennen

Genau da setzt das Projekt TEAM (Telemedizinische E-Health-Entwicklungen für Menschen mit Risiko für Demenzentwicklung) an: Spezialistinnen und Spezialisten aus der Psychologie, Neurologie und Informatik wollen gemeinsam einfache digitale Anwendungen zur Früherkennung von Demenz und zum Training von Risikopatienten entwickeln. Die Idee ist, dass zunächst ein Frühdiagnose-Test durchgeführt wird, für den keine Fachleute mehr notwendig sind. Dafür kann Personal in Altenheimen oder Seniorentreffs qualifiziert werden, wie zum Beispiel in der Diakonie im thüringischen Blankenhain. In Kürze sollen sich dort die ersten freiwilligen Probandinnen und Probanden den von TEAM entwickelten Tests unterziehen – nur unter Anleitung von Diakonie-Mitarbeitenden. „Da die Anwendung der Tests relativ simpel ist, besteht die Möglichkeit, solche Untersuchungen auch über angelernte Kräfte durchzuführen“, so Finke. Auf Tablets können sich die älteren Menschen durch grafisch gestaltete Aufgaben klicken, um ihre Gedächtnisleistung unter Beweis zu stellen. Auffällige Patienten, die das Risiko zeigen, eine Demenz zu entwickeln, werden so sehr schnell erkannt. Sie können dann die Empfehlung für eine genauere Untersuchung in einer Spezialklinik bekommen.

Kognitives Training mit gesellschaftlichem Effekt

In einem zweiten Schritt will das Forschungsteam den Risikopatientinnen und -patienten spielerische Gedächtnis- und Konzentrations-Trainings anbieten, die sie ganz einfach zuhause am Smartphone, Tablet oder Computer machen können. Durch regelmäßiges Training lässt sich der geistige Abbau aufhalten. Doch wie nehmen betagtere Menschen die digitalen Tests und Trainings überhaupt an? „Es gibt die sogenannten „Silver Gamer“ – das sind ältere Menschen, die von sich aus spielerisch auf dem Computer ihre Gedächtnisleitung trainieren“, erläutert Kathrin Finke. „Und es gibt ältere Menschen, die selbst nicht auf die Idee kommen, am Computer zu spielen. Doch auch von denen haben wir bisher sehr gute Rückmeldungen bei unseren Tests bekommen.“ Wenn TEAM erfolgreich ist, sollen Patientinnen und Patienten in den ländlichen Regionen Thüringens dreimal wöchentlich von zuhause aus oder auch in Senioren-Einrichtungen trainieren können. Währenddessen sammeln die Forschenden kontinuierlich Daten zu den kognitiven Leistungen der Trainierenden, mit denen sie den individuellen Verlauf der Erkrankung beobachten wollen. Ein Demenz-Risiko auf diese Weise früher zu entdecken und zu behandeln, hätte auch einen enormen gesellschaftlichen Effekt: zum einen würden die Kosten für unser Gesundheitssystem gesenkt und zum anderen Angehörige entlastet, die an Demenz erkrankte Familienmitglieder in den meisten Fällen betreuen.

Weitere Informationen