Wissen teilen – Fachgrenzen überwinden
Interdisziplinäre Bündnisse haben oft ein Problem: Fachleute aus verschiedenen Bereichen sprechen unterschiedliche Sprachen. Das erschwert die Verständigung und den Wissensaustausch. Dr. Isabel Hilger und ihr Team von der Dresdner Software-Firma qualitype GmbH, einem Partner des RUBIN-Bündnisses SNRT, haben sich deshalb etwas einfallen lassen. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.

Frau Hilger, vor welchen Herausforderungen stehen interdisziplinäre Bündnisse wie SNRT – das Sächsische Netzwerk für Radionuklid-Theranostika?
So wie bei vielen interdisziplinären Vorhaben ist unser Bündnis sehr groß und divers, alle Beteiligten haben spezielle fachliche Hintergründe. Für das Gleiche werden daher oft ganz unterschiedliche Fachbegriffe genutzt, was zu Missverständnissen führen kann und die Zusammenarbeit erschweren kann. Schon in der Vorbereitungsphase für den Förderantrag haben wir gemerkt: wenn wir Menschen aus dem Softwarebereich, aus der klinischen Forschung und aus Unternehmen zusammenbringen, könnte das schwierig werden. Die Themen gingen so weit auseinander, dass wir etwas Verbindendes brauchten. Deshalb hatten wir die Idee, eine digitale Wissensbasis aufzubauen. Auf diese Weise können alle Projektbeteiligten die unternehmerischen Interessen und Arbeitswelten der anderen besser einschätzen und viel schneller erkennen, wo die gemeinsamen Interessen liegen.
Und wie haben Sie diese Idee umgesetzt?
Wir haben zunächst im Bündnisteam von SNRT eine Umfrage gestartet, um herauszufinden, welche Formate zum Wissensaustausch die verschiedenen Personen kennen und nutzen. Dabei kam heraus, dass der größte Mehrwert in persönlichen Treffen und im direkten Austausch gesehen wird. Deshalb haben wir uns neben der digitalen Wissensbasis auch eine persönliche Komponente überlegt und Unternehmensbesuche organisiert. Gleichzeitig haben wir digitale Austauschmöglichkeiten geschaffen. Bündnispartnerinnen und -partner können Webinare und Workshops anbieten. Jeder bringt seine Stärken und Fähigkeiten ein und teilt sie mit den anderen.
Wäre das auch für andere Bündnisse interessant?
Beim Treffen der RUBIN- und WIR!-Bündnisse im März 2024 in Magdeburg haben wir erfahren, dass die Überwindung der fachlichen Unterschiede in der Findungsphase viel Zeit kostet. Wir haben oft gehört, dass sich die Bündnisse jemanden wünschen, der auf den ersten Schritten die Organisation und Kommunikation zwischen den verschiedenen Fachbereichen übernimmt. Neben den unterschiedlichen Fachsprachen sind die Zielrichtungen teilweise auch gegensätzlich – insbesondere bei Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Die einen streben eine rasche Veröffentlichung ihrer Ergebnisse an. Die anderen wollen ihre Resultate bis zur Produktentwicklung möglichst geheim halten. Bei SNRT haben wir die Herausforderungen der interdisziplinären Zusammenarbeit frühzeitig erkannt, alle Partner dafür sensibilisiert und mögliche Missverständnisse angesprochen, um sie schnell aus dem Weg zu räumen. So konnten wir die Einstiegsphase deutlich verkürzen.
Wie weit sind Sie mit dem Aufbau der digitalen Wissensbasis?
Wir haben zuerst die Anforderungen für eine solche Wissensbasis in Erfahrung gebracht. Das hat eine gewisse Zeit in Anspruch genommen. Wir wollten vermeiden, dass wir etwas aufbauen, was wir als Software-Entwickler total schick finden, womit das Bündnis-Team aber nichts anfangen kann. Inzwischen gibt es die Wissensbasis und sie wird nach und nach mit Fachwissen gefüllt, aber auch als Kommunikationskanal genutzt, auf dem sich alle direkt austauschen können. Wir sprechen die Bündnismitglieder immer wieder an, die Wissensbasis zu füttern. Sobald sie so voll ist, dass alle davon profitieren, haben wir die Hoffnung, dass sie ein Selbstläufer wird.
Wie sieht die Wissensbasis konkret und was sind ihre Vorteile?
Die Wissensbasis ist Teil der öffentlichen Projekt-Website und nur für unsere Mitglieder via Log-In erreichbar. Wir nutzen ein Forum zum einfachen Austausch zu diversen Themen und veröffentlichen interne Webinare oder Publikationen. Die Wissensbeschaffung geht viel schneller, zum Beispiel werden interessante Veröffentlichungen direkt in der Wissensbasis geteilt. Wir haben auch ein Glossar angelegt, in dem man Fachbegriffe nachschauen kann. Der Mehrwert ist schon nach einem Drittel der Projektlaufzeit zu merken. Es ist schlicht einfacher zusammenzuarbeiten.
Wie kann die Wissensbasis auf lange Sicht nützlich sein?
Wir wollen etwas aufbauen, das größer und nachhaltiger wird als das dreijährige RUBIN-Bündnis: ein erweitertes Netzwerk zu dem Thema Radionuklid-Theranostika in Sachsen. Da wird es viele Aktivitäten und Player geben, die auf einer Plattform gebündelt werden sollen. Die Wissensbasis ist dafür die Grundlage, die wir jetzt im Rahmen von SNRT schaffen. Außerdem ist es ein riesiger Schatz in Bezug auf die Ausbildung von Fachkräften. Doktoranden und Studierende können sich damit ganz selbstständig einarbeiten, Kontakte knüpfen und auf das Wissen der vergangenen Jahre zurückgreifen.