Alter Handelshafen wird zum pulsierenden Stadtteil

Der Magdeburger Wissenschaftshafen ist ein Zentrum der Entwicklung und Produktion von Medizintechnik. Dieser Arbeitsort direkt an der Elbe soll sich in den nächsten Jahren zu einem belebten Stadtquartier wandeln, in dem gern gewohnt und gelebt wird.

Der virtuelle Raum des digitalen Hafenzwillings kann interaktiv genutzt werden.
Der virtuelle Raum des digitalen Hafenzwillings kann interaktiv genutzt werden. © Philipp Zittlau

Der 1893 eröffnete Magdeburger Binnenhafen war früher der wichtigste Umschlagplatz für den Hamburger Hafen. Von Magdeburg aus wurden Getreide und Zucker aus der fruchtbaren Börde und Kali aus dem Norden Deutschlands über die Elbe verschifft. Seit Beginn der 2000er Jahre änderte sich die Funktion des Hafens, er wurde zum Wissenschaftshafen. Dessen Pulsgeber ist der Forschungscampus STIMULATE. Der 2013 gegründete Kooperationsverbund entwickelt Soft- und Hardware für bildgebende minimalinvasive Therapien zur Behandlung von Erkrankungen der Blutgefäße und von Krebs. Derzeit ist das STIMULATE-Team hochmotoviert, dem Hafen unter der Flagge „transPORT“ erneut eine weitere Funktion zu verleihen.

Altes Hafenbecken mit neuen Leben füllen

„transPORT – Transfer-HAFEN Magdeburg“ – das Forschungsbündnis hätte keinen passenderen Namen finden können für sein Großprojekt. „Port“, der Hafen, steckt in dem Wort und „transportieren“. Auch „Transfer“ ist herauszulesen. Die Kernbotschaft: Das Areal des historischen Handelshafens soll seiner althergebrachten Bestimmung zugeführt werden, dem Transfer. Heute und in Zukunft geht es allerdings vorrangig um den Transfer von Wissen – ins Umland und weit darüber hinaus. Die modernen Wege dorthin will das transPORT-Bündnis bereiten. Die Initiative wird im Rahmen des Förderprogramms „T!Räume – TransferRäume für die Zukunft von Regionen“ vom Bundesforschungsministerium gefördert.

„Wir haben zwar exzellente Rahmenbedingungen in der universitären Lehre, aber noch zu viele Nachwuchskräfte verlassen nach der Ausbildung die Region“, weiß STIMULATE-Sprecher Georg Rose, Inhaber des Lehrstuhls für „Medizinische Telematik und Medizintechnik“ an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. STIMULATE steht an der Spitze des transPORT-Vorhabens. In den nächsten neun Jahren soll ein urbanes medizinisches Hightech-Ökozentrum auf den sogenannten „W4“-Stützpfeilern – Wissenschaft, Wirtschaft, Wohnen, Wohlfühlen – errichtet werden. Mit Ökozentrum ist gemeint, dass sich attraktive Arbeitsplätze, moderne Wohnräume sowie vielfältige Freizeit- und Kulturangebote gegenseitig befruchten, einen starken Sog ausüben und somit den Wissenschaftshafen in ein belebtes Stadtquartier verwandeln.

Einen Kilometer lang ist die historische Fahrrinne des einstigen Handelshafens. Hier sind Ideen gefragt, das Becken in ein urbanes Leben einzubinden.
Einen Kilometer lang ist die historische Fahrrinne des einstigen Handelshafens. Hier sind Ideen gefragt, das Becken in ein urbanes Leben einzubinden. © PRpetuum/Kathrain Graubaum

Früher pulsierte am alten Hafenbecken das Leben. Waren wurden von Hafenarbeitern gelöscht und Stimmengewirr schwebte auf dem Areal. Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Wie ließe sich eine ähnliche „Betriebsamkeit“, die den Charme dieses Geländes einst ausmachte, herstellen auf dem historischen Gelände mit seinen denkmalgeschützten Silos und Speicherbauten? Wie können junge Menschen dafür begeistert werden, hier nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu wohnen und ihre Freizeit zu verbringen?

„Fördermaßnahmen wie T!Raum sind geschaffen, damit wir solche Fragen beantworten“, sagt Georg Rose, Sprecher der transPORT-Initiative. „Wir werden in Werkstätten, die auch der mitwirkenden Bevölkerung offenstehen, Antworten darauf finden. Eine dieser Werkstätten entwickelt einen digitalen Zwilling des Wissenschaftshafens, um auch im virtuellen Raum zu experimentieren, wie hier urbanes Leben funktionieren kann.“

Virtueller Hafen lockt Investoren

Die Werkstatt des digitalen Zwillings wird von Professor Christian Hansen und seinem Mitarbeiter Philipp Zittlau geleitet. „Wenn sich jemand fernab in der Welt für eines der Unternehmen oder Institute hier im Wissenschaftshafen interessiert, kann er künftig dem digitalen Zwilling einen Besuch abstatten, Labore oder Produktionsräume besichtigen, sogar Produkte testen“, sagt Christian Hansen und nennt als Beispiel Neoscan Solutions. Das junge Unternehmen hat den weltweit ersten Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT) für Babies und Kleinkinder entwickelt. Mit der entsprechenden VR-Brille auf der Nase kann man den MRT von allen Seiten, von innen und außen, betrachten und Informationen abrufen. „Seinen ersten Auftritt hat der digitale Zwilling dieses MRT-Gerätes auf einer Messe in Dubai bestanden, als der echte MRT auf ein Schiff verladen nicht rechtzeitig ankam“, erzählt Philipp Zittlau.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Maximilian Schotte testet ein virtuelles MRT-Gerät, Bestandteil des digitalen Hafenzwillings, den Philipp Zittlau und Prof. Christian Hansen (v.l.) entwickeln.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Maximilian Schotte testet ein virtuelles MRT-Gerät, Bestandteil des digitalen Hafenzwillings, den Philipp Zittlau und Prof. Christian Hansen (v.l.) entwickeln. © PRpetuum/Kathrain Graubaum

Auf das virtuelle Gelände bezogen ergänzt Christian Hansen: „Potenzielle Investoren können das Areal begehen, sich nach dem idealen Bauplatz umsehen und dort sogar ein digitales Gebäude errichten, bevor es real gebaut wird.“ Erste wirtschaftliche Potenziale zeichnen sich ab. „Es gibt schon Interessenten, die auch solch einen Zwilling haben möchten. Der wird über das transPORT-Bündnis hinaus ein gefragtes Produkt werden. Eine Firma könnte sich gründen und diese Dienstleistung anbieten“, blickt Hansen in die Zukunft. transPORT-Sprecher Georg Rose betont, dass die Werkstätten in ihrer Verzahnung viele weitere Produkt-Innovationen am Standort erzeugen werden, die das Ansiedlungsgeschehen beleben.

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