Ein Motorenforscher mit Wasserstoffantrieb : Datum:
Forschende aus Dessau-Roßlau rüsten einen Dieselmotor auf grünen Methan-Wasserstoff-Mischbetrieb um. Zu den Entwicklern gehört Maschinenbauingenieur Arne Lazar. Er dokumentiert die Pionierleistung auf diesem Gebiet in seiner Doktorarbeit.
Lazar führt regelmäßige Fachgespräche mit Jessica Lackmann – eine der wenigen Frauen, die er kennt, mit denen er sich ausgiebig über Motoren austauschen kann. Die beiden treffen sich dazu vor einem Dieselmotor, der in früheren Zeiten einen Lkw antrieb. Derzeit wird er auf einem Prüfstand im Wissenschaftlich-Technischen Zentrum für Motoren- und Maschinenforschung (WTZ) Roßlau für seine zweite Verwendung im Wasserstoffbetrieb umgerüstet und zu Probeläufen gezündet. Arne Lazar und Jessica Lackmann notieren Messdaten über vergleichen verschiedene Methoden, den Wasserstoff in den Motor einzublasen. Zu diesem Thema schreibt Jessica Lackmann ihre Bachelorarbeit. An ihrer Hochschule Anhalt in Köthen ist sie in ihrem Studiengang die einzige Maschinenbau-Studentin. Arne Lazar lobt ihre Arbeit, die sowohl für das Projekt als auch für seine Promotion wichtige Daten liefert. Lazar begleitet wissenschaftlich die Entwicklung des innovativen Motors, der variabel mit Wasserstoff, Erdgas, Biogas oder mit einem beliebigen Gemisch daraus betrieben werden kann. „Um Ressourcen zu schonen, bauen wir hier keinen neuen Motor, sondern rüsten unter anderem langlebige Dieselmotoren um“, betont Arne Lazar.
Doktorarbeit mit viel Praxisbezug
Er würde sich als den praktisch veranlagten Theoretiker bezeichnen, sagt Arne Lazar und erzählt, dass er hin und wieder auch gern selbst „mit den Fingern in den Motor eintaucht“. Der 32-Jährige kam vor zwei Jahren zum WTZ, um hier eine Doktorandenstelle anzutreten. Seine Tätigkeit hat einen starken Praxisbezug und erfordert, das Lazar sich mehrmals täglich vom Computerarbeitsplatz weg über den Hof hin zum Prüfstand bewegen muss. Der Prüfstand wurde eigens für den Wasserstoffmotor entwickelt und befindet sich in einem der ältesten Gebäude des WTZ. Die drei Buchstaben WTZ sind seit Anfang der 1960er DDR-Jahre ein Begriff in Osteuropa. In Roßlau, das jetzt zu Dessau gehört, standen früher gigantische Motoren für Schiffe, Lokomotiven und Blockheizkraftwerke auf den Prüfständen des WTZ. Das WTZ ist mittlerweile eine beachtete Adresse in der weltweiten Forschungslandschaft. Es zählt zu den führenden Entwicklern von Mess- und Prüftechnik, von Energiesystemen und vor allem von Motoren, die Kohlendioxid- und Schadstoffemissionen vermeiden. Das anhaltische Unternehmen ist ein wichtiger Partner innerhalb des Forschungsbündnisses „TRAINS“, das die Region Anhalt durch nachhaltige Technologien für Schienenverkehrssysteme zur Technologieregion wandeln will. Das Bundesforschungsministerium fördert TRAINS im Rahmen der Programmlinie „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“.
Abwechslung und Herausforderung als Antrieb
Arne Lazar koordiniert ein TRAINS-Teilprojekt. Hierbei soll ein für den Erdgas-Wasserstoff-Mischbetrieb geeigneter Motor in einem Triebwagen zwischen Dessau und Wörlitz eingesetzt werden. Es gibt an die interessierte Öffentlichkeit gerichtete Veranstaltungen dazu, um das Thema „unter die Leute“ zu bringen. Lazar erklärt bei diesen Veranstaltungen, wie der Mischbetrieb funktionieren könnte, wenn spezielle Sensoren erkennen, welcher Antriebsstoff getankt wurde und daraufhin den Motor automatisch regulieren. Er kommt mit den Leuten ins Gespräch, beeindruckt mit seinem Fachwissen – und wird oft gefragt: „Warum sind Sie hier im Osten?“ Arne Lazar verweist dann auf die exzellenten beruflichen Perspektiven, die sich ihm hier eröffnen. Die Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschland sei für ihn nie ein Thema gewesen, erzählt der im Wendejahr 1989 geborene. Seine Familie aus Paderborn hatte nur wenige Kontakte in die DDR und bekam kaum Nachwende-Wehen zu spüren – im Gegensatz zu Lazars älteren Kollegen im WTZ, dessen Absatzmarkt in den 1990er Jahren zusammengebrochen war. „Es war nicht gerade Abenteuerlust, die mich zum Studium in den Osten nach Sachsen-Anhalt trieb“, erzählt Arne Lazar. „Ich hätte auch zuhause studieren können, Maschinenbau ist ein bedeutender Schwerpunkt der Universität Paderborn.“ Doch die Otto-von-Guericke-Universität lag im Ranking weiter oben. Das lockte Lazar nach Magdeburg– in die „Stadt des Schwermaschinenbaus“. Der Stolz auf diesen früheren Beinamen der Stadt ist bei der alteingesessenen Bevölkerung noch zu spüren. Bis heute ist der Maschinenbau die traditionsreichste und größte Fachdisziplin der Universität. Ab 2010 studierte Arne Lazar in Magdeburg Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau – und vertiefte sich in die automobilen Systeme. „Wasserstoff als alternativer Antrieb war damals nur am Rande ein Thema“, sagt er und ergänzt, dass die Motive seine persönlichen Handelns Herausforderung und Abwechslung seien. Beides hatte neun Jahre später die Doktorandenstelle am WTZ zu bieten. Dort ist der Wasserstoff längst angekommen – als Thema für Forschung und Entwicklung und auch in einer großen Tanksäule auf dem Betriebsgelände.
Ursprüngliche Natur und grüner Wasserstoff
Während Arne Lazar für seine Doktorarbeit an einem so gut wie emissionsfreien Motor forscht, ist er auch privat gerne schadstofffrei unterwegs und fährt die Acht-Kilometer-Strecke zwischen seinem Wohnort in Dessau und der Arbeitsstätte in Roßlau mit dem Fahrrad. Er genießt die Vorzüge seines aktuellen Lebensraums. „Ich bin hier sehr nah dran an ursprünglicher Natur“, freut er sich. Viel Freizeit verbringt er auf dem Elberadweg und im Technikmuseum Hugo Junkers. Mit diesem Namen ist Dessau eng verbunden. 1889 schon gründete der Ingenieur eine Versuchsstation für Gasmotoren, um eine geeignete Antriebsmaschine zur Elektroenergieerzeugung zu konstruieren. Auf großen Spuren ist Arne Lazar da unterwegs. Denen des Reformators Martin Luther und des Gartenreich-Gründers Fürst Franz folgt er, wenn die Familie zu Besuch kommt. Seiner Mutter, erzählt er, habe er zum Geburtstag die „WelterbeCard“ geschenkt. Die Gästekarte gilt für die vier Unesco-Welterbestätten in der Region Anhalt-Dessau-Wittenberg. Wer sich für eine Fahrt mit dem Schienenbus hin zum Gartenreich entscheidet, wird allerdings noch von dieselbetriebenen Zügen bewegt. Die Strecke zwischen Dessau und Wörlitz führt durch das Biosphärenreservat Mittelelbe. „Künftig sollen hier umweltfreundliche Triebzüge eingesetzt werden. Zunächst wird ab 2025 unser Forschungstriebwagen mit Grünem Wasserstoff unterwegs sein“, kündigt Arne Lazar an. Den Wasserstoff liefere der Energiepark Bördeland. Und für den Wasserstoffmotor, der jetzt noch auf dem Prüfstand steht, komme dann die große Bewährungsprobe in der Praxis. Arne Lazar kann sich sehr gut vorstellen, sich auch nach der Doktorarbeit weiterhin seiner Forschungsmaterie beruflich zu widmen. Ein TRAINScenter soll in Dessau aufgebaut werden. In dem modern ausgestatteten Forschungs- und Technologiezentrum werden Fachkräfte digitale Antriebs-, Mess- und Sicherheitstechniken entwickeln. Eine weit in die Zukunft reichende Aufgabe des TRAINScenters wird die Optimierung der Technologien zur Umrüstung von Diesel- zu Wasserstoffmotoren sein – genügend Herausforderung und Abwechslung für den promovierten Motorenforscher in spe.