Kleine Städte – großes Potenzial
Wie die Leipziger T!Raum-Initiative „Handlungskompetenz der Kommunen stärken“ einen positiven Wandel der sächsischen Region zwischen Torgau, Weißenfels und Aue unterstützen will.
Es ist kühl und riecht ein wenig muffig. An einigen Wänden kleben alte DDR-Tapeten. Der Büroleim „Barock Gold“ auf einem der alten Schreibtische stammt noch aus volkseigenen Beständen. Die Besucherinnen und Besucher des „HKS“-Meetings laufen staunend durch die Räume des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Eilenburger Chemiewerke. Das 3.000 Quadratmeter große Gründerzeithaus steht seit Jahren leer. 1887 hat der sächsische Industrielle Ernst Mey die Chemiewerke zur Zelluloid-Herstellung errichtet.
Auf dem früheren Werksgelände steht auch das Verwaltungsgebäude. Noch gehört es zu den „Lost Places“, den verlorenen Orten der sächsischen Kleinstadt. Doch das soll sich ändern, dazu will auch „HKS“ beitragen. Start-Ups und andere kleine Unternehmen sollen sich hier ansiedeln, Co-Working-Spaces entstehen. Eilenburg könnte auf diese Weise zum Innovationsstandort werden, der junge Menschen und hochqualifizierte Fachkräfte anzieht. Im 30 Kilometer entfernten Leipzig sind Büroräume und Gewerbeimmobilien inzwischen knapp und teuer. Das lichtdurchflutete Gebäude in Eilenburg hingegen bietet jede Menge Platz und die S-Bahn braucht gerade mal 25 Minuten nach Leipzig.
Selbstbestimmter Wandel
Die T!Raum-Initiative will solches Potenzial nutzen und die „Handlungskompetenz der Kommunen stärken“ – dafür steht „HKS“. Denn kleine und mittlere Städte in Sachsen sehen sich vor großen Herausforderungen: Junge Menschen wandern ab, der Klimawandel verändert Natur und Umwelt. Das schwächt die wirtschaftlichen Strukturen. Mit Projekten wie der Umnutzung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Eilenburger Chemiewerke können die sächsischen Kommunen attraktiver werden. Doch Forschende der Fakultät Entwicklungsökonomie an der Universität Leipzig wissen: Nur wenn die Menschen, die in den Kommunen leben, einbezogen werden, sind Veränderungen möglich. Im Rahmen von „HKS“ wollen sie Bürgerinnen und Bürgern Möglichkeiten zur Mitgestaltung bieten und in Reallaboren direkte und digitale Austauschmöglichkeiten schaffen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse will die Initiative den Kommunen zugänglich machen. Langfristiges Ziel ist es, interessante Orte in den Städten zu schaffen, die Menschen besuchen, die sie gerne nutzen.
Auch im erzgebirgischen Landkreis Aue-Bad Schlema will „HKS“ aktiv werden. Der Landkreis ist durch einen hohen Altersdurchschnitt, geringe Zuwanderung und ein geringes Durchschnittseinkommen geprägt. Die Menschen zu erreichen und zu motivieren, die Entwicklung ihrer Kommune mitzugestalten, sieht die Initiative als eine ihrer wichtigen Aufgaben.
Sensibler Umgang mit Ressourcen
Gleichzeitig kümmert sich „HKS“ um die klimabedingten regionalen Herausforderungen. Dazu gehört der Umgang mit der knappen Ressource Wasser. Seit 20 Jahren sinken die Grundwasserstände in der Region. Ob Wasser auf lange Sicht ausreichend verfügbar sein wird, ist unsicher. Deshalb will die T!-Raum-Initiative einen sparsameren Umgang erreichen, Regen- und Abwasser besser nutzen. Eine erste Idee gibt es bereits: Kleinspeicher auf Feldern, die zu DDR-Zeiten für die Landwirtschaft gebaut wurden und derzeit brach liegen, könnten künftig Regenwasser für Trockenzeiten speichern. Welche technischen Möglichkeiten es dafür gibt, wollen die Forschenden des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig im Rahmen von „HKS“ untersuchen. Ihr Ziel ist es, Modellregionen für die Nutzung solcher Speicher zu schaffen.
Neben der zunehmenden Trockenheit ist in den sächsischen Kommunen auch Hochwasser ein Thema. So hat die Mulde, die durch Eilenburg fließt, zuletzt 2002 drastische Überschwemmungen verursacht. Inzwischen hat die Stadt jedoch ein umfassendes Hochwasserschutzkonzept umgesetzt. Nun plätschert der Fluss sanft durch die Auen, unweit des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Chemiewerke. Aus einigen der leerstehenden Räume hat man einen schönen Blick auf die Mulde. Das könnte auch künftige Nutzerinnen und Nutzer überzeugen. Doch zunächst braucht das unter Denkmalschutz stehende Gebäude eine umfassende Sanierung.