Autonome Löschdrohne lernt fliegen
Wasserabwerfende Drohnen sind bislang noch nicht am Himmel unterwegs. Doch jetzt lernt der Prototyp einer Löschdrohne das Fliegen. Für die Löschtechnik ist das eine Weltpremiere. Zur Brandbekämpfung sollen die Drohnen zukünftig im Schwarm ausrücken.
Die Bekämpfung von Wald- und Vegetationsbränden stand zunächst gar nicht im Fokus, als Erik Grädener und seine Freunde nach dem Bau von etlichen „bodenständigen“ Robotern endlich einen bauen wollten, der fliegen kann. Dieser kommt nun in feuerwehrroten Gewand daher und ist eine Drohne. Betrachtet er das Innenleben der Drohne, leuchten die Augen von Erik Grädener, der bis zu seiner kürzlichen Pensionierung als Professor für Maschinenbau an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin lehrte. Mit Stolz betrachtet er die grün und rot blinkende Elektronik. „Die haben wir komplett selbst entwickelt“, sagt er. Max Elfgen nickt zustimmend. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der HTW hat dabei mitgewirkt. Er erforscht die Steuerung von autonomen Drohnen im Katastrophenfall. Später im praktischen Einsatz sollen die Löschdrohnen autonom starten, landen, Wasser etwa aus bereitstehenden Tankcontainern der Feuerwehr aufnehmen und Löschwasser zielgenau über dem Brandherd ablassen. Und das im Gruppenflug von etwa 40 Drohnen. Bei dieser Schwarmgröße könnten 200 Liter Wasser pro Minute abgelassen werden.
Explosive Böden
Nach tagelangen Waldbränden in diesem Sommer können sich die Feuerwehrleute in Brandenburg gut vorstellen, dass neben ihren Einsatzwagen eine solche Drohne in der Garage steht. An Einsatzgelegenheiten würde es ihr nicht fehlen. Denn die Wälder hier stehen auf munitionsbelasteten, explosiven Böden. Für Feuerwehrleute sind solche Einsätze lebensgefährlich und darum oft gar nicht durchführbar.
Erik Grädener erzählt rückblickend: „An einem bestimmten Punkt der Entwicklung mussten wir uns überlegen, wo unser Flugroboter zum Einsatz kommen soll. Schon im trockenen Sommer 2018 gab es hier schlimme Waldbrände. Löschhubschrauber konnten nur bei Tageslicht und guter Sicht fliegen. Zudem ist deren Einsatz sehr teuer. Das brachte uns auf die Idee der Löschdrohne.“ Seitdem stehen die Drohnen-Bauer in enger Verbindung mit der Freiwilligen Feuerwehr Ludwigsfelde. Die ist gemeinsam mit der Stadt Ludwigsfelde Initiator des Innovationsbündnisses „WIR! – Feuerwehr der Zukunft“. Das Bündnis wird vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert.
Die Entwickler der Löschdrohne sind auch bei Brandeinsätzen mit vor Ort, um die Bedingungen und die Bedarfe der Einsatzkräfte kennenzulernen. Und sie haben an dem Konzept für ein WIR!-Teilprojekt mitgeschrieben: „PEELIKAN – Pilothafte Entwicklung und feuerwehrtechnische Erprobung eines Löschdrohnenschwarms zur direkten Vegetationsbrandbekämpfung“.
Flugmanöver mit Festhalten
Bevor sie allerdings im Schwarm fliegt, muss diese erste Löschdrohne zunächst allein beweisen, dass sie Flugmanöver ausführen kann – etwa starten und landen, vorwärts- und rückwärts fliegen oder seitlich abdrehen. Gerade ist sie für diese Tests in einer riesigen leeren Halle in einem Berliner Industriegebiet angekommen. Erik Grädener und Max Elfgen bringen vier anderthalb Meter lange Rotorblätter an der Achse an. Für gewöhnlich habe eine Drohne an dieser Stelle ein Kugelgelenk, erklären sie. Für ihre Löschdrohne entwickelten die Experten eine – mittlerweile zum Patent angemeldete – Vorrichtung, die weitestgehend wartungsfrei ist, in der sich kein Schmutz sammelt und die sich auch ohne Schmiermittel „wie geschmiert“ dreht. „Die Rotorblätter können an ihren Spitzen bis zu 60 Prozent der Schallgeschwindigkeit erreichen“, betont Grädener und ergänzt, dass der Schall mit über 1235 Kilometern in der Stunde unterwegs ist. Schon darum soll die Drohne hier in der Halle nicht wirklich in die Luft gehen. Sie ist auf einem Simulator-Gestell mit Rollen darunter befestigt. Von dieser Trägerplatte festgehalten, kann die Drohne ohne „abzuhauen“ die Flugmanöver durchführen.
Frank Brennecke schaut zu, legt auch mal mit Hand an. Seine Aufgabe ist es, bei Herstellern und Anwendern von Löschtechnik bekannt zu machen, dass hier eine innovative Entwicklung auf dem Weg ist. Er macht die Öffentlichkeitsarbeit für die vier „Väter“ der Löschdrohne. Harald Müller, Holger Meyer, Martin Schmitt-Degenhardt und Erik Grädener haben eigens das Startup NatureTec gegründet, das die Entwicklung der Löschdrohne vorantreiben und dafür Interessenten und Partner gewinnen soll. Mit von der Lösch-Partie sind an vorderster Stelle die Harald Müller Metall Sonderfertigung GmbH, die Feuerwehren Ludwigsfelde und Jüterbog, die HTW Berlin, die Technische Hochschule Wildau, die Hochschule Magdeburg-Stendal und das European AviaMartin tion Security Center (EASC). Der Verein betreibt u.a. ein auf Luftsicherheit spezialisiertes Forschungs- und Validierungszentrum. Die Partner wollen ihre Kompetenzen einbringen, um sichere, effiziente und kostengünstige Lastendrohnen und ein dazugehöriges Schwarmkonzept zu entwickeln.
Im Einsatz von Satelliten gesteuert
An der Löschdrohne in der Halle sind inzwischen die Rotorblätter angebracht. 110 Kilogramm – 60 Kilogramm Eigengewicht plus 50 Kilogramm Wasser-Last – sollen sie im Einsatz durch die Lüfte bewegen. Max Elfgen nimmt die Fernsteuerung zur Hand, um sich – jetzt im Experiment noch manuell – mit der Drohne zu verbinden. Ziel der Entwickler ist es, dass die einsatzfähigen Drohnen mit Hilfe von Satellitentechnik gesteuert werden. Mittels GPS-Koordinaten sollen sie zum Brandort finden. Im nahtlosen Kreislauf könnten sie dort 24 Stunden nonstop im Löscheinsatz sein. Gemeinsam mit ihnen ist dann eine Fotodrohne unterwegs, die in regelmäßigen Abständen Aufnahmen auf das Tablet der Feuerwehrleute sendet, damit die das Löschgeschehen verfolgen können. – So ist die Vision. Doch bis zu deren Realisierung ist es noch ein gutes Stück Weg, auf dem es keine Vorbilder gibt, an denen sich die Entwickler orientieren können. Sie sind echte Pioniere.