Holz als grüner Wachstumsmotor
Welche Chancen bietet Holz aus dem Thüringer Wald für Klimaschutz und regionales Wirtschaftswachstum? Das Thüringer WIR!-Bündnis „Holz-21-regio“ hat Ideen, von denen alle profitieren können: die Menschen in der Region, die Natur und das Klima.
„170 Millionen Kubikmeter Holz stehen in Thüringens Wäldern“, sagt Bündnissprecher und Forstingenieur Erik Findeisen. Das sind knapp fünf Prozent der gesamten Holzvorräte in Deutschland. Der größte Teil des durch nachhaltige Forstwirtschaft gewonnenen Holzes wird momentan jedoch nur als Rohstoff verkauft, oft ins Ausland. „Es ist wichtig, das Holz, das im Thüringer Wald wächst, auch regional zu veredeln und nicht einfach nur an andere Länder zu verkaufen, wo dann die Wertschöpfung stattfindet“, erklärt Findeisen.
Genau das ist der Plan des Bündnisses: die strukturschwache Wirtschaft in der waldreichen Region mit Holz verarbeitenden Betrieben anzukurbeln. Das im Thüringer Wald geerntete Holz soll gleich vor Ort zu Produkten verarbeitet werden – zum Beispiel zu Fertigbauteilen für moderne Holzhäuser. Damit könnte die Klimaschutzfunktion des Waldes, der Kohlenstoff aus der Atmosphäre bindet, erheblich besser genutzt werden, ohne das Ökosystem Wald zu gefährden. „Indem wir aus dem Holz langlebige Produkte schaffen, ist der Kohlenstoff auf lange Sicht im Holz gebunden und der Atmosphäre entzogen“, so Erik Findeisen. „Außerdem können wir Materialien ersetzen, die auf fossilen Ressourcen basieren.“
Widerstandsfähiger Wald
Voraussetzung für eine nachhaltige und stabile Holzernte ist jedoch ein gesunder, robuster Wald. Die durch den Klimawandel verursachten Dürreperioden und größeren Aufkommen von Schädlingen haben den Bäumen in Deutschland bereits enorm zu schaffen gemacht. 2020 befielen Borkenkäfer so viele Bäume, dass über 60 Millionen Kubikmeter Bäume gefällt werden mussten. Fünf Jahre zuvor waren es noch knapp 13 Millionen Kubikmeter. Deshalb steht bei Holz-21-regio der klimaresiliente Waldumbau ganz oben auf der Agenda. Klimaresilient sind Bäume und Gewächse, die extreme Wetterverhältnisse wie anhaltende Hitze und Trockenheit aushalten können. Genau diese Widerstandsfähigkeit wollen die Bündnispartner mit ausgewählten Pflanzen auf Versuchsfeldern im Thüringer Wald testen. In einem Starterprojekt kommen Förster und Waldbesitzer erstmals mit Ingenieurinnen und Ingenieuren der Technischen Universität Ilmenau sowie Thüringer Unternehmen der Optik, Sensorik und des Sondermaschinenbaus zusammen. Gemeinsam wollen sie moderne Technologien entwickeln, die zur Beobachtung der Versuchsfelder zum Einsatz kommen sollen. Erfasst werden sollen unter anderem Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Pflanzengröße, aber auch die Einflüsse von Schädlingen und konkurrierenden Pflanzen. „Wir wollen zunächst untersuchen, welche Art von Sensorik wir brauchen, um die benötigten Daten liefern zu können“, so Findeisen. Das Projektteam will herausfinden, unter welchen Bedingungen die Pflanzen gedeihen, wie sie Trockenphasen aushalten und von welchen Schädlingen sie möglicherweise befallen werden. Um sowohl junge als auch ältere Pflanzen im Wald bestmöglich zu versorgen, plant das Team von Holz-21-regio außerdem, Robotertechnologien so weiterzuentwickeln, dass diese bei der Bepflanzung und Pflege des Waldes helfen können.
Regionaler Rohstoff
„Wenn man einen Baum fällt, sind bis zu 50 Prozent davon für den Bau zu gebrauchen“, sagt Erik Findeisen. „Selbst das von Borkenkäfern befallene Holz.“ Mit neuen Technologien will das Bündnis Thüringer Bäume direkt in der Region verarbeiten und für den modernen Holzbau nutzen. Dieser spielt insbesondere im sozialen Wohnungsbau und beim Bau von Schulen und Kindergärten eine wichtige Rolle. Durch den Einsatz von Holz aus heimischen Wäldern fallen lange Transportwege für ansonsten im Ausland eingekauftes Holz weg und die Umwelt wird weniger belastet. Gleichzeitig lässt sich damit der Einsatz von Baumaterialien wie Stahlbeton reduzieren, bei dessen Produktion viele Ressourcen verbraucht und große Mengen CO2 ausgestoßen werden. „Unsere Vision ist es, in Thüringen Werke zu etablieren, die unsere Forschungsergebnisse nutzen, um seriellen Holzbau zu betreiben“, sagt Bündnissprecher Findeisen. Serieller Holzbau bedeutet, dass maßgeschneiderte Fertigbauteile aus Holz im Werk hergestellt werden, die dann auf der Baustelle wie bei einem Baukasten nur noch zusammengefügt werden müssen. Das spart sehr viel Zeit und damit auch Kosten. „Mit den Holzbauteilen könnten wir Bauvorhaben in Thüringen, aber auch in Sachsen oder Berlin beliefern.“ Das gesamte Vorhaben wäre nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern ein Schub für die Strukturentwicklung im Thüringer Wald.
Und was ist mit den restlichen 50 Prozent des Holzes, das sich nicht für den Bau eignet? „Die können wir für andere innovative Produkte nutzen: für die Ausstattung von Automobilen, zur Herstellung von Treibstoffen oder biologisch abbaubaren Verpackungsmaterialien“, sagt Findeisen. Einige Partner mit entsprechendem Knowhow sind schon an Bord von Holz-21-regio. Das Bündnis möchte in Thüringen ein Holz-Innovationszentrum errichten, um schneller innovative Holzprodukte entwickeln zu können. „Wir haben keine weiteren Jahrzehnte Zeit, sondern müssen schnell handeln“, sagt Erik Findeisen. „Der Klimawandel zwingt uns dazu.“