Mit Drohnen Leben retten

Vermisste Personen in Seenot von Booten und Hubschraubern aus zu finden, ist schwierig. Das Projekt “WaterRescueDrones” an der Westküste von Schleswig-Holstein testet, wie Drohnen eine größere Fläche absuchen, Menschen schneller finden und den Standort an die Leitstelle der DLRG übermitteln können.

Das Team von WaterRescueDrones mit Drohne vor der Bodenkontrollstation am Strand von St. Peter-Ording.
Das Team von WaterRescueDrones mit Drohne vor der Bodenkontrollstation am Strand von St. Peter-Ording. © Gerald Peklar, NXP Semiconductors Germany

“Sind Sie vom Radio oder vom Fernsehen?”, fragt ein Passant, nachdem er ans Fenster des großen, weißen Transporters geklopft hat. “Sie haben so eine große Antenne am Auto!” Das auffällige Auto am Strand von St. Peter-Ording ist die mobile Bodenkontrollstation des Projektes “WaterRescueDrones”. Projektleiter Prof. Stephan Hußmann lacht: “Da kommen öfter Leute und fragen: ‘Landet hier jetzt eine Mondfähre oder sowas?“

Hilfe von oben

Statt einer Mondfähre sollen hier in einigen Jahren Drohnen fliegen und dabei helfen, Menschen aus Seenot zu retten, so die Vision von Hußmann und seinem Team von der Fachhochschule Westküste in Heide. Drohnen könnten die Gesuchten schneller finden, bevor ein Boot losgeschickt wird. Auch im Nebel soll das möglich sein. Ein Lautsprecher an der Drohne informiert von oben, dass Hilfe unterwegs ist. Standort, Bilder und Videos sendet die Drohne live an die Leitstelle. Technisch wäre auch möglich, dass die Drohne einen Rettungsring abwirft, der mit einem GPS-Sender ausgestattet ist.

Noch steht das Projekt, das als Teil des WIR!-Bündnisses “UAM-InnoRegion-SH” vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, am Anfang. Aktuell laufen Tests zur Reichweite der Drohnen. Zehn Kilometer weit über das Wattenmeer sollen sie fliegen können – bis zu dieser Entfernung von der Küste arbeitet die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft).

Das Auto der DLRG dient bei den Reichweitentests im März als Taxi für die Drohne, die hinten auf der Ladefläche festgeschnallt ist.
Das Auto der DLRG dient bei den Reichweitentests im März als Taxi für die Drohne, die hinten auf der Ladefläche festgeschnallt ist. © Gerald Peklar, NXP Semiconductors Germany

Ein Taxi für eine Drohne

Dabei sind schwierige Wetterbedingungen an der Küste die kleinste Herausforderung. “Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Drohnen sind kompliziert”, erklärt Gerald Peklar. Er ist der technisch Verantwortliche vom Halbleiterhersteller NXP Semiconductors Germany, einem Bündnispartner, und beim Projekt für die Hardware zuständig. “Hier befindet sich nicht nur ein Naturschutzgebiet, so dass wir während der Brutzeit der Seevögel nicht fliegen dürfen. Als Tourismusregion gehört es zu den Erholungsgebieten, für die sich die Bestimmungen im Januar geändert haben.“ Außerdem gelten für das Bündnis strengere Vorschriften als für echte Rettungseinsätze von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) wie der DLRG.

Während das Team im März deshalb auf eine Fluggenehmigung wartet, nutzt es die Zeit kreativ: “Für die Funkreichweitentests schnallen wir die Drohne auf die Ladefläche eines Fahrzeugs der DLRG”, so Peklar. Statt zu fliegen, wird die Drohne am Strand entlanggefahren. Von der mobilen Bodenkontrollstation aus wurde eine Reichweite der Funkverbindung von vier Kilometern bis zur Drohne auf dem DLRG-Fahrzeug gemessen – ein erster kleiner Erfolg. Um die Reichweite zu erhöhen, testet Peklar verschiedene Antennen und Übertragungstechnologien.

Die Datenverbindung zwischen der Bodenkontrollstation und der Drohne muss immer gewährleistet sein. Um jederzeit eingreifen zu können, befinden sich auf der Drohne mehrere Funksysteme, die sich nicht gegenseitig stören dürfen.
Die Datenverbindung zwischen der Bodenkontrollstation und der Drohne muss immer gewährleistet sein. Um jederzeit eingreifen zu können, befinden sich auf der Drohne mehrere Funksysteme, die sich nicht gegenseitig stören dürfen. © Gerald Peklar, NXP Semiconductors Germany

Bilderkennung durch Künstliche Intelligenz

Währenddessen sorgt Felix Zilske, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Westküste, dafür, dass eine Künstliche Intelligenz Menschen in Seenot findet. Da in St. Peter-Ordung viele Menschen Wassersport treiben, soll sie zum Beispiel Stand-up Paddleboards erkennen. “Dazu füttern wir die KI mit Bildern aus allen möglichen Höhen und Winkeln von Stand-Up Paddles im Wasser und am Strand.”

Erste Fotos nahm Felix Zilske im November auf. Zum Steuern der Drohne musste er da noch mit acht Ersatzbatterien im Gepäck in windiger Kälte am Strand frieren. Bei weiteren Fotoshootings kann Zilske in der mobilen Bodenkontrollstation mit Bildschirmarbeitsplatz und Internetanschluss im Warmem sitzen und die Flugakkus aufladen. Die Energie liefern Solarzellen auf dem Dach.

Die mobile Bodenkontrollstation erregt Aufmerksamkeit.
Die mobile Bodenkontrollstation erregt Aufmerksamkeit. © Gerald Peklar, NXP Semiconductors Germany

Automatisierte Suchroute

Ein weiterer Partner im Projekt ist das Fraunhofer IMTE in Lübeck. Es erstellt Wahrscheinlichkeitskarten, die zeigen, wo sich Vermisste wahrscheinlich befinden. Dort sucht die Drohne zuerst. In die Berechnungen für diese Routenplanung fließen unter anderem Daten zu Wetter und Strömungen ein.

Die langfristige Vision der Beteiligten ist eine in Deutschland gebaute Wasserrettungsdrohne, in der die getestete Elektronik fest verbaut ist. Die Begeisterung für das gemeinsame Ziel ist bei Peklar und Hußmann deutlich spürbar. “Das ist nicht nur eine technische Herausforderung”, so Hußmann. “Wenn wir das hinkriegen, können wir tatsächlich Menschenleben retten!”

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