Die Herzmuskelzelle im Visier

Ist eine Blutzelle zu weich oder zu fest, besteht der Verdacht auf eine Entzündung im Körper. Wissenschaftler der TU Dresden haben eine Methode entwickelt, um in wenigen Minuten diese mechanischen Eigenschaften einer Blutzelle nachzuweisen.

Einer dieser Forscher ist der Biophysiker Oliver Otto, seit kurzem Nachwuchsgruppenleiter am Zentrum für Innovationskompetenz  (ZIK) „HIKE“ der Universität Greifswald. Die Verformbarkeit einer Blutzelle hat es ihm angetan. Jahrelang hat er an der Elite-Uni Dresden die Mechanik von biologischen Zellen untersucht. Mit seiner Arbeitsgruppe konnte er zeigen, dass bei bestimmten Entzündungen im Körper die weißen Blutkörperchen weicher sind als bei einem gesunden Menschen. Zur Messung dieser mechanischen Eigenschaften wirkte er an der Entwicklung eines Gerätes mit, das die Ergebnisse in nur wenigen Minuten mit nur einem Tropfen Blut liefert. Real-Time Deformability Cytometry, kurz RT-DC, heißt das Verfahren, das nun im ZIK HIKE neue Erkenntnisse über die Herzmuskelentzündung, die Dilatative Kardiomyopathie(DCM) bringen soll.

MECHANISCHER FINGERABDRUCK EINER BLUTZELLE

Das Gerät ist quasi das Herzstück der Forschungen in der Nachwuchsgruppe Biomechanik. Die Mitarbeiter – der Elektroingenieur Bob Fregin, der aus Dresden mitgekommen ist, und der Physiker Fabian Czerwinski – sind bereits eingearbeitet, die Methode ist etabliert. Mit einer Spritzenpumpe wird eine Blutprobe in eine winzige Messkammer gebracht. Dann strömen die Blutkörperchen durch kleinste Kapillaren. Dabei nimmt eine Hochgeschwindigkeitskamera Bilder von den Verformungen der Zellen in Echtzeit auf. Innerhalb weniger Minuten werden tausende von Zellen vermessen. Zum Vergleich: In einem früheren Verfahren mit einem Rasterkraftmikroskop wurden etwa 100 Zellen pro Stunde gemessen. Eine speziell entwickelte Messsoftware analysiert die Mechanik der Zellen schon während der Messung. Eine weitere Software vergleicht die Messungen verschiedener Zellen, zum Beispiel gesunde mit kranken Zellen.

Nachwuchsgruppenleiter Oliver Otto (links) mit seinen Mitarbeitern Bob Fregin und Fabian Czerwinski (rechts vorne). In der Mitte stehen zwei Monitore.
Nachwuchsgruppenleiter Oliver Otto (links) mit seinen Mitarbeitern Bob Fregin und Fabian Czerwinski (rechts vorne) vor dem Real-Time Deformability Cytometry. © PRpetuum GmbH

ÜBERTRAGUNG AUF HERZMUSKELZELLEN

„Ich hatte in Dresden eine super Zeit, aber jetzt habe ich ein ganz eigenes Forschungsgebiet“, beschreibt Oliver Otto das Anwenden der mechanischen Zellbeschreibung auf die Herzmuskelentzündung DCM im ZIK HIKE. Nach seinem Studium in Mannheim und Leipzig promovierte er in Cambridge und wandte sich in seinen Forschungen an der TU Dresden mehr und mehr translationalen Fragestellungen zu. Diese Verbindung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung begeistert ihn auch am ZIK HIKE. Hier stellt er sich mit seinen Mitarbeitern die Frage: „Wie kann ich die Real-Time Deformability Cytometry nutzen, um über Herzmuskelzellen allgemein und auch über krankhafte Zellen eine Aussage zu machen?“

Dies soll in mehreren Ansätzen geschehen. Naheliegend ist es, das Blut von gesunden und an Herzmuskelentzündung erkrankten Patienten zu untersuchen, um herauszufinden, ob und was sich in den Blutzellen ändert.

Darüber hinaus will Bob Fregin ein komplett neues Verfahren entwickeln, um auch adhärente Zellen, d.h. Zellen die nicht in Flüssigkeiten auftreten, in ihrem natürlichen Verbund mechanisch zu untersuchen. Dazu wurde sein Arbeitsplatz, ein sogenannter Optischer Tisch angeschafft, der für Aufbauten und Versuche frei von jeglichen Vibrationen ist. „Das Gewebe, wie das eines Herzmuskels, möchte ich hier mit einer Schwingung anregen, um eine Verzögerungszeit messen zu können. So bekomme ich sozusagen die mechanische Antwort des Gewebes, um dann die Zelle besser charakterisieren zu können“, beschreibt Fregin seine Idee.

Der dritte Mitarbeiter, der Biologe Ricardo Pires wird die Mechanik von gesunden und erkrankten Kardiomyozyten, den kontrahierenden Herzmuskelzellen, vergleichen. Sind die erkrankten Zellen mechanisch verändert, kontrahieren und erschlaffen sie schlechter als gesunde. Die Untersuchungen zu dieser klinisch interessanten Forschungsfrage werden am Rasterkraftmikroskop durchgeführt.

Auch Kooperationen mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung sind schon sehr konkret, hier kann Otto auf die Proben für seine Experimente zurückgreifen. Außerdem will er weitere Kooperationen mit anderen Forschungsgruppen der Kardiologie in Greifswald aufbauen. „Die Leute sind extrem offen, einem Physiker Zugang in etablierte biologische Gebiete zu gewähren“, freut sich Otto, der auch mit dem ZIK „plasmatis“ schon erste gemeinsame Versuche durchgeführt hat.

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