Ein Chip-Material der Zukunft

Immer größere Datenmengen und immer mehr mobile Anwendungen erfordern innovative Hardware-Materialien zum Aufbau von Mikrochips mit neuen Funktionen. Mit Bismuteisenoxid könnte ein großer Wurf gelingen.

Bismut? Hat das etwas mit Wismut zu tun? Ja! Obwohl im Periodensystem der chemischen Elemente schon immer Bi für Bismut steht, hält sich umgangssprachlich bis heute der Begriff Wismut. Gerade auch im Freistaat Sachsen, wo die Wismut AG bis 1990 viele tausend Tonnen Uranerz aus dem Erzgebirge schürfte. Für den Einsatz in der sowjetischen Atomindustrie. Aber das ist Geschichte.

Wafer in einer Hand
Ein für die Mikroelektronik typischer Wafer, ein ein- oder polykristalliner Halbleiterrohling, welcher als Grundplatte für ICT-Bauelemente dient. © Björn Wylezich – Fotolia

Was kann BFO besser?

Das sächsische Innovationsforum „BFO – Bismut-Eisen-Oxid-Dünnfilme“ hingegen hat einen Plan für die Zukunft: „Durch die Forschung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) haben wir heute die Chance, Bismuteisenoxid als neues Material in die Halbleiterindustrie einzuführen“, sagt Heidemarie Schmidt von der Technischen Universität Chemnitz, die das Innovationsforum koordiniert. „Vorarbeiten zur Technologie-Entwicklung zeigen, dass dieses Material mit überschaubarem Aufwand in bestehende Halbleiter-Technologien integriert werden kann.“ Durch BFO-Dünnfilme mit zwei Elektroden sollen künftig stabile Widerstandsschalter in integrierten Schaltkreisen nachgebildet werden. BFO-Dünnfilme sind einfacher strukturiert und benötigen deutlich weniger Energie als bisher verwendete analoge Widerstandsschalter.

Computer sind Stromfresser

Ehrenfried Zschech, Professor am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme in Dresden, wies auf eine kritische Entwicklung der „Computerisierung“ von Wirtschaft und Gesellschaft hin: „Im Jahr 2040 könnte die dann eingesetzte Rechentechnik mehr Strom verbrauchen, als derzeit jährlich zur Verfügung steht.“ Darum sei die Computerindustrie weltweit auf der Suche nach neuen Materialien und Technologien, die einen deutlich reduzierten Stromverbrauch bei schneller werdender Datenverarbeitung ermöglichen: „Bismuteisenoxid ist eine Option bei dieser Suche.“, so Zschech auf dem Forum in Dresden.

Sachsen spielt in der „Champions League“

Laut Eigeninformation sieht sich die sächsische Region Dresden, Freiberg und Chemnitz als fünftgrößter Standort für Mikroelektronik auf der ganzen Welt. Rund 3.500 Unternehmen und Forschungsinstitute entwickeln und produzieren dort Prozessoren und Sensoren für hochspezialisierte Anwendungen – außerhalb der globalen Consumer-Industrie aus Smartphones, Flatscreens, Laptops und Spielekonsolen.

Neue BFO-Einsatzfelder zeichnen sich ab

Die bisherigen Forschungsergebnisse mit diesem Material, das kostengünstig, umweltverträglich und leicht verfügbar ist, lassen schon heute mehrere Einsatzfelder möglich erscheinen: „Die immer mehr ins Zentrum drängenden neuromorphen Schaltkreise, für deren Aufbau und Funktion das biologische  Nervennetz als Grundlage dient, scheinen für die BFO-Plattform ein prädestiniertes Einsatzgebiet zu werden“, ist sich Heidemarie Schmidt sicher. Mit Bismuteisenoxid kann die Funktionalität dieser biologischen Struktur nachgebildet werden. Sozusagen eine Simulation dank neuer BFO-Hardware.

Außerdem in Sichtweite für den Einsatz der BFO-Technologie ist die große Gruppe von Photodetektoren, die beispielsweise in Transistoren verbaut werden. In der Beleuchtungstechnik messen sie heute die Lichtstärke von LED-Scheinwerfern oder beim Einsatz digitaler Kameratechnik.

Mikroskopbild eines BFO-Dünnfilms
Draufsicht auf einen BFO-Dünnfilm für neuartige ICT-Anwendungen. © Professur Materialsysteme der Nanoelektronik

Neues Forschungsprojekt steht

Ein wichtiges Etappenziel ist am Ende des Innovationsforums erreicht: Im Rahmen ihres Programmes ATTRACT wird die Fraunhofer-Gesellschaft die weiteren Forschungsarbeiten für die Entwicklung einer Gesamttechnologie zur Herstellung elektronischer Bauelemente mit Bismuteisenoxid-Schichten mit zwei Millionen Euro fördern. Heidemarie Schmidts Vision von der BFO-Plattform „made in Sachsen“ könnte Realität werden. Die ersten Patente dazu sind bereits erteilt.

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