Große Zukunft für kleine Windenergieanlagen

Drei Unternehmen und eine Forschungseinrichtung aus der Region zwischen Berlin und Ostsee erschließen sich mit der ersten Generation von Kleinwindenergieanlagen neue Geschäftsfelder. KWEA heißt ihr Forschungsprojekt.

Ritsch, ratsch, ritsch, ratsch – Pause – ritsch, ratsch, ... So klingen die Geräusche des Pitch-Versuchsstandes von Solutions4Energy. Das Rostocker Unternehmen entwickelt Energieerzeugungsanlagen und ist Partner im Forschungsprojekt „Neue Materialien und Strukturen für Kleinwindenergieanlagen“. KWEA, so der Kurzname, wird vom Bundesforschungsministerium als Wachstumskern Potenzial-Initiative gefördert. „Denn es ist wirtschaftlich viel interessanter, die Energie gleich dort zu verbrauchen, wo sie produziert wird“, sagt Jens Kirchner und betont: „Der Trend geht zur dezentralen Energieerzeugung.“ Er hat dabei Landwirtschaftsbetriebe und Kommunen im Blick. Kirchner ist einer der beiden Gründer von Solutions4Energy. Er und sein Geschäftspartner leiteten bei der Nordex AG die Entwicklung, bis beide 2012 ihr gemeinsames Unternehmen gründeten.

Patentreifes Pitch-System

Ritsch, ratsch, ritsch, ratsch – die KWEA-Forschungspartner schauen neugierig in das Innere der Windrad-Nabe, die hier ziehenden, pressenden, reißenden, zerrenden, schwingenden Kräften ausgesetzt ist. Zahnräder sind zu sehen, mehr nicht. „Mehr soll auch nicht“, Jens Kirchner schmunzelt. Dieses Pitch-System hat sein Unternehmen entwickelt und will es zum Patent anmelden. Seit August läuft die Anlage hier in der Halle in verschiedenen Intervallen und Intensitäten. In einem Zeitraum von einem Monat simuliert sie zwei Jahre draußen bei Wind und Wetter. Die Fachleute nennen das „Abfahren der Lastenreihe“. Insgesamt werden auf dem Prüfstand die Zyklen für 20 Jahre Lebensdauer einer Kleinwindenergieanlage untersucht, wie sie als Demonstrator aus dem Forschungsprojekt hervorgehen soll.

Foto eines Pitchprüfstandes
Auf dem Pitchprüfstand werden 20 Jahre Lebensdauer der Kleinwindanlage simuliert. © PRpetuum GmbH

Der Forschungsbereich Polymermaterialien und Composite PYCO des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP am Standort Teltow beschäftigt sich im KWEA-Projekt mit den neuen Materialien für solche kleinen Windenergieanlagen. Sebastian Steffen ist zudem Koordinator des KWEA-Projektes. PYCO hat innerhalb des Bündnisses die Aufgabe, ungesättigte Polyesterharze zu entwickeln. Sie dienen der Herstellung faserverstärkter Kunststoffe, die leicht und dennoch hochbelastbar sind – super geeignet als Materialien für Bauteile der Kleinwindenergieanlagen. Die frohe Kunde aus Teltow: Dort wurde ein Harz entwickelt, das mittels UV-Bestrahlung vollständig aushärtet und keine Oberflächenklebrigkeit hinterlässt.

Neue Materialien und Strukturen

Foto einer Kleinwindenergieanlage
Aus den einzelnen Komponenten, die von den KWEA-Partnern entwickelt werden, baut Solutions4Energy in Rostock die Kleinwindenergieanlage zusammen. © PRpetuum GmbH

„In unserem Technikum wurden fünf Jahre Bewitterung durch Regen, Wärme, Sonne und Betauung mit guten Ergebnissen simuliert“, sagt Steffen. Jetzt stehe das Material zum Einsatz zur Verfügung. Bei der compren GmbH aus Malchow beispielsweise: Ob im Schienenfahrzeugbau, in der Luft- und Raumfahrt oder beim Bau von Luxus-Yachten – wo eine hohe mechanische Belastbarkeit erforderlich ist, kommen compren-Produkte aus faserverstärkten Kunststoffen zum Einsatz. Auch die zu deren Herstellung benötigten Formen und Werkzeuge entwickelt das Unternehmen selbst; für KWEA etwa die Maschinenhausverkleidung, die das Innenleben der Anlage schützt, und die Rotorblätter. Letztere gemeinsam mit der BaltiCo GmbH. Die hat auch den dreiteiligen Teleskopturm und die Innenstrukturen der Rotorblätter entwickelt. Das Unternehmen aus Hohen Luckow baut Windkraftflügel, Brücken und Masten und hat sich dabei auf Gitterstrukturen aus carbonfaserverstärktem Kunststoff spezialisiert. Für die Kleinwindenergieanlage kommen besonders hochbelastbare Stabwickelkonstruktionen zum Einsatz.
Ab 2017 sollen die Anlagen gebaut werden. Anfragen kamen schon aus Norddeutschland und den europäischen Nachbarländern, sagt Jens Kirchner.

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