Von Leipzig in die Welt

Am Innovationszentrum Computerassistierte Chirurgie „ICCAS“ in Leipzig forschen die Informatiker und Medizintechniker längst nicht mehr an Grundlagen im stillen Kämmerlein. Ihre Arbeit ist inzwischen weltweit beachtet und in der Anwendung angekommen.

Selbstbewusst und nicht ohne Stolz präsentieren die ICCAS-Wissenschaftler auf dem Statusseminar in Leipzig ihre Resultate. Zu Recht, denn sie haben viel erreicht, das Innovationszentrum ist international sichtbar geworden. Die Wissenschaftler werden weltweit zu Tagungen geladen, kooperieren eng mit internationalen Arbeitsgruppen. Die jährliche ICCAS Summer School war 2016 völlig ausgebucht. Junge Forscher aus aller Welt interessieren sich für die Leipziger Technologien. Das ist wichtig zur Ausbildung und Rekrutierung des Nachwuchses. Genauso wie der Masterstudiengang, der mit ICCAS-Unterstützung an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur – HTWK in Leipzig etabliert werden soll und das geplante Doktorandenprogramm, das ICCAS an der medizinischen Fakultät der Universität starten möchte. Dort soll das Innovationszentrum künftig ein offizielles Institut werden.

Praxistauglich und patientenfreundlich

Auch zu Medizintechnik-Unternehmen wie Siemens oder Storz unterhält ICCAS gute Kontakte. Jetzt ist die Zusammenarbeit noch gestärkt worden. Vor einem halben Jahr haben Teile des Forschungszentrums eine offizielle Medizinprodukte-Zertifizierung bekommen. Das heißt, ihre Entwicklungen können direkter in die Anwendung gelangen. Aufgrund einer Forschungskooperation mit der Radiologie des Leipziger Uniklinikums ist ein hochintensives, fokussiertes Ultraschallgerät entwickelt worden, das mit einem Magnetresonanz-Tomografen gekoppelt wurde. Radiologen wollen die sehr präzise, computergesteuerte Technologie unter anderem zur Behandlung von Knochenmetastasen nutzen. Auch ohne Bestrahlung werden die Tumoren eliminiert oder zumindest klein gehalten. ICCAS-Chef Andreas Melzer ist Spezialist auf diesem Gebiet. Sein Ziel ist es, den fokussierten Ultraschall mit der sogenannten PET-Magnetresonanztomographie zu verbinden. Mit diesem bildgebenden Verfahren ist eine funktionelle Darstellung des Weichgewebes möglich. Schon während der Behandlung könnten Ärzte kontrollieren, ob der Stoffwechsel des Tumors erloschen ist. Außerdem kann der fokussierte Ultraschall bei der Chemotherapie helfen. Die mit Ultraschall behandelten Zellen werden empfänglicher für Anti-Tumor-Medikamente. Chemotherapeutika könnten so geringer dosiert und die Nebenwirkungen reduziert werden. Wie Ultraschall die Bestrahlung von Krebspatienten unterstützen kann, untersuchen Forscherteams von ICCAS und dem Dresdner Zentrum für Innovationskompetenz OncoRay jetzt gemeinsam im Verbundprojekt "Sono-Ray."

Robotergerät mit langen Armen operiert an der Atrappe einer Wirbelsäule. Ein Laptop daneben zeichnet auf-
Dieses robotikbasierte Assistenzsystem entwickeln ICCAS-Forscher für die Unterstützung der Arbeitsabläufe bei minimalinvasiven Eingriffen in der Radiologie. © ICCAS

Leichter operieren, besser therapieren

Um Mediziner bei der individuellen Therapieentscheidung zu unterstützen, wird am ICCAS das Digitale Patientenmodell entwickelt, das umfassende Informationen über die Krankheits- und Behandlungsgeschichte eines Patienten enthält. Damit sind die Leipziger Wissenschaftler jetzt einen großen Schritt weitergekommen. Sie haben ein Programm erarbeitet, das es den Ärzten ermöglicht, ohne die Hilfe der Informatiker, nur über einen Fragenkatalog, ein Patientenmodell zu erstellen. Auf diese Weise lässt sich das Programm unkompliziert in der Praxis nutzen.

Auch während der Operation sollen die ICCAS-Technologien Ärzte unterstützen, beispielsweise durch die Verknüpfung vieler einzelner Geräte im OP-Saal. Diese Vernetzung bislang inkompatibler Technik erleichtert den Arbeitsprozess. Genauso wie die Verbindung von Kameras und den von ICCAS entwickelten chirurgischen Workflow-Programmen. Außerdem können Tumor-Operationen durch spezielle bildgebende Verfahren unterstützt werden, an denen ICCAS-Forscher arbeiten. Beispielsweise sind mit der 3D-Infrarot-Thermographie die Reste eines Tumors sehr viel deutlicher sichtbar.

Stefan Franke präsentiert das Projekt BIOPASS - ein neuartiges Navigationssystem für endoskopische Eingriffe, das ohne zusätzliche Marker und Kameras auskommen soll. Ere steht in einem verdunkelten Raum mit Bildschirmen. In der Mitte steht ein OP-Tisch, a
Stefan Franke präsentiert das Projekt BIOPASS - ein neuartiges Navigationssystem für endoskopische Eingriffe, das ohne zusätzliche Marker und Kameras auskommen soll © ICCAS

Medizintechnik als Lebensretter

Momentan wird die neue Arbeitsgruppe „Life Support Systems“ unter Leitung des Mediziners Andreas Reske am ICCAS etabliert. Sie kümmert sich um neuartige lebensunterstützende Systeme, die für die Anästhesie und Notfallmedizin wichtig sind. Das Team will beispielsweise ein mobiles System auf der Basis der so genannten Elektroimpedanztomographie (EIT) entwickeln. Damit kann die Atmung von Unfallopfern, die im Wagen eingeklemmt sind, auch aus einer gewissen Entfernung gemessen und ihr Zustand besser eingeschätzt werden. Das hilft den Ärzten bei der Entscheidung für die nachfolgende Behandlung und kann Leben retten. So gehen die Wissenschaftler des Leipziger ICCAS mit vielen neuen Ideen und Projekten ihren erfolgreichen Weg weiter, auch im zwölften Jahr nach der Gründung des Innovationszentrums.

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