Eine Atemschutzmaske passend für alle Gesichtsformen

Atemschutzmasken werden wohl auch in absehbarer Zukunft Teil unseres Alltags bleiben. Doch nach längerem Tragen können diese oft unangenehm sein. Gerade Brillenträger haben oft mit ihnen zu kämpfen. Jetzt liegt der Prototyp einer Maske vor, die sich verschiedenen Gesichtsformen anpasst, gleichzeitig luftdicht abschließt und trotzdem genügend Atemluft hindurchlässt.

Projektleiter Sven Reichel zeigt die TOPAS. Jetzt bekommt sie noch ein attraktives Design.
Projektleiter Sven Reichel zeigt die „Tragephysiologisch optimierte alltagstaugliche Schutzmaske“, kurz TOPAS. Jetzt bekommt sie noch ein attraktives Design. © PRpetuum GmbH/Kathrain Graubaum

Das Corona-Virus wird aller Voraussicht nicht so schnell aus unserem Leben verschwinden, somit prägen auch Atemschutzmasken weiterhin unseren Alltag. Dass die Masken bei der Eindämmung von Pandemien helfen, ist unumstritten. Trotzdem kann das Tragen solcher Masken über einen längeren Zeitraum als störend empfunden werden. Besonders betroffen ist beispielsweise medizinisches Personal, dass die Masken meist über mehrere Stunden tragen muss. Die Gummigurte der Maske schneiden sich dann regelrecht in die Haut hinter den Ohren. Ein verbesserter Tragekomfort einhergehend mit optimierter Schutzwirkung würde die Akzeptanz in der Bevölkerung weiter erhöhen und dem Gesundheitssektor einen großen Gefallen tun. Geleitet von diesem Gedanken fanden sich über das interdisziplinäre Kompetenznetzwerk „futureTEX“ Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft, um eine solche Alltagsmaske zu entwickeln.

Das Konsortium futureTEX ist aus dem Förderprogramm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation des Bundesforschungsministeriums hervorgegangen, um technische Textilien und entsprechende Anwendungsszenarien für den globalen Markt der TechTEX-Branche zu entwickeln. „Innerhalb dieses Netzwerkes sind auch die Kompetenzen vorhanden, optimierte Atemschutzmasken zu gestalten“, sagt Sven Reichel vom Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) in Chemnitz. Er leitet das Projekt mit dem Namen TOPAS. Das Akronym steht für „Tragephysiologisch optimierte alltagstaugliche Schutzmasken“. Das STFI, die Fraunhofer-Institute für Toxikologie und experimentelle Medizin ITEM und für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB sowie der Textilentwickler und Modeproduzent „Strick Zella“ in Zella, der Hersteller technischer Gewebe „Spengler & Fürst“ in Crimmitschau und die Taschen und Beutel kreierende Manufaktur „Bagjack“ in Berlin können bereits einen Demonstrator vorzeigen.

Nasen-Klammer hält dicht

Mit der VR-Brille und den visuellen Werkzeugen kann Sven Reichel die Kopfkonturen im virtuellen Raum bearbeiten.
Mit der VR-Brille und den visuellen Werkzeugen kann Sven Reichel die Kopfkonturen im virtuellen Raum bearbeiten. © PRpetuum GmbH/Kathrain Graubaum

„Eigentlich ein profanes Ding, wie es da auf dem Tisch liegt“, meint Sven Reichel. Doch diesen Eindruck widerruft er sogleich, wenn er über die spannende Entwicklungsgeschichte der Maske anschaulich berichtet. Zur Demonstration der einzelnen Entwicklungsschritte hat er innovative Technik aufgebaut. Zunächst nimmt er ein 3D-Scangerät zur Hand. Als Fotomodell muss sein Kollege Tilo Bauch im wahren Wortsinn „den Kopf hinhalten“. Sein Kopf wird nun sorgfältig abgescannt. Von Augen, Nase, Wangen, Ohren, Kinn und Hinterkopf entstehen pro Sekunde etwa sieben Tiefenbilder. Die fügen sich auf dem Computermonitor zu einer 3D-Kopfansicht zusammen. 20 unterschiedliche Kopfformen hatte Sven Reichel im Vorfeld der Masken-Entwicklung gescannt: weibliche, männliche, mit und ohne Bart, mit und ohne Brille. An alle Gesichtsformen soll sich die Maske optimal anpassen und luftdicht abschließen. Im nächsten Schritt setzt sich Sven Reichel die VR-Brille auf. Den Modellkopf seines Kollegen kann er in der virtuellen Realität ungehindert drehen und wenden, um ihm mit Bildbearbeitungswerkzeugen saubere Konturen zu geben. Die sind wichtig, damit ein spezielles Computerprogramm einen ringförmigen Grundkörper für die Maske errechnet, der vor allem im kritischen Bereich von Nase und Wangen gut abdichtet. Dieser Grundkörper ist in das Textil eingenäht und nicht zu sehen. Sven Reichel zeigt dessen Form am Computer. Ein wichtiges Element ist die flexible Nasen-Klammer. Diese legt sich gespreizt links und rechts auf die Nasenflügel und sorgt dort für eine optimale Abdichtung.  Die Klammer kommt aus dem 3D-Ducker und ist aus Kunststoff. „Der Grundkörper und das Textil, in das er eingenäht ist, sind waschbar“, betont Reichel.

Mit dem 3D-Scangerät macht Sven Reichel vom STFI Tiefenbilder von dem Kopf seines Kollegen Tilo Bauch.
Mit dem 3D-Scangerät macht Sven Reichel vom STFI Tiefenbilder von dem Kopf seines Kollegen Tilo Bauch. © PRpetuum GmbH/Kathrain Graubaum

Kupfer wirkt anti-viral

Ein Wegwerfprodukt dagegen ist der austauschbare Filter. Wie in einer herkömmlichen Maske sind auch hier Lagen aus verschiedenen Materialien übereinandergelegt. Die Neuheit für die TOPAS-Maske ist ein blauer Vliesstoff aus Zellulosefasern. Selbst jetzt in der kühleren Jahreszeit ist es schwer vorstellbar, Vlies vor der Nase könnte angenehm sein. Der Versuch beweist das Gegenteil. „Die Fasern haben unterschiedliche Durchmesser, und ihre Zwischenräume im Vlies sind verschieden groß. Ihre Aufgabe ist es ja nicht, die Aerosol-Tröpfchen abzuhalten, sondern die Viren darin abzutöten“, erklärt Sven Reichel und weist darauf hin, dass das Blau der Zellulosefasern durch Kupfer hervorgerufen ist. „Kupfer hat eine antivirale Wirkung“, sagt der Projektleiter und erklärt: „Bei der sogenannten Kupferdotierung werden beim Spinnen der Fasern die Kupfer-Ionen in die mikroskopischen Hohlräume der Zellulosefasern eingelagert. Beim Auftreffen der Aerosol-Tröpfchen auf das Gewebe treten die Kupfer-Ionen an dessen Oberfläche und töten die Viren ab.“ Dieser physikalische Prozess wird Diffusion genannt. Dabei bewegen sich die im Gewebe hochkonzentriert enthaltenen Kupfer-Ionen zur Gewebeoberfläche, auf der sich in niedrigerer Konzentration die Aerosole befinden.

Der Filz aus kupferdotierten Zellulosefasern wird zu Vliesstoff verarbeitet.
Der Filz aus kupferdotierten Zellulosefasern wird zu Vliesstoff verarbeitet. © STFI

Würde man die Zellulosefäden im Vlies mit Silber anstatt Kupfer beschichten, würde der Stoff antibakteriell wirken. Damit hätten die Masken ein weiteres Anwendungsgebiet.

Filter im Faltenlook

„Egal, wie viele Materialschichten vor der Nase liegen: Entscheidend für den Atemwidertand ist nicht die Anzahl, sondern allein die dichteste Schicht. Die besteht im Filtereinsatz aus dem Kunststoff Polypropylen und hat – anders als das Kupfervlies – die Aufgabe, Viren abzuhalten“, erklärt Sven Reichel. „Je dichter der Stoff, um so weniger Viren gehen hindurch, aber auch um so weniger Luft zum Atmen.“

Die dichte Materialschicht, die die Aerosol-Tröpfchen abhält, besteht aus einem Vliesstoff aus Kunststoff.
Die dichte Materialschicht, die die Aerosol-Tröpfchen abhält, besteht aus einem Vliesstoff aus Kunststoff. © PRpetuum GmbH/Kathrain Graubaum

Um die höchstmögliche Filterdichte bei geringstmöglichem Atemwiderstand herauszufinden, wurden am Computer Strömungssimulationen durchgeführt. „Zudem haben wir uns eine Besonderheit bei Filtern im Auto oder im Staubsauger abgeschaut“, sagt Sven Reichel und zeigt den plissierten Filter. Der in Falten gelegte Stoff bietet eine größere Oberfläche und erhöht somit den Filtereffekt. Mittels eines Computerprogramms wurde ermittelt, bis zu welcher Lamellendichte es sich noch leicht atmen lässt. „Hier sind wir dann von einem Mittelwert ausgegangen, weil das subjektive Empfinden der Maskenträger ja doch unterschiedlich ist“, sagt Reichel.

Apropos: Wann kommt die TOPAS-Maske mit dem hohen Tragekomfort in den Handel? „Wohl noch in diesem Winter.“, sagt Sven Reichel und dass die Manufaktur Bagjack die Atemschutzmaske konfektioniert und dabei auch attraktive Designs im Fokus hat. Die TOPAS-Masken sollen dann online vertrieben werden.

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