Gut fürs Klima und die regionale Wirtschaft

Das sächsisch-thüringische RUBIN-Bündnis „Feldschwarm-Ökosystem“ will Landwirte unterstützen und einen neuen Wirtschaftszweig in der Region etablieren. Wie? Mit innovativen Automatisierungstechnologien und einer durchdachten Strategie. Wir haben den Bündniskoordinator und Geschäftsführer der Reichhardt GmbH, Thomas Pohlmann, zum Gespräch getroffen.

Landwirtschaft der Zukunft: Ausgestattet mit spezieller Software sollen kleine, autonome Landmaschinen synchron das Feld bearbeiten. Per Funk sind sie über Smartphone, Tablet oder Funkgerät steuerbar.
Landwirtschaft der Zukunft: Ausgestattet mit spezieller Software sollen kleine, autonome Landmaschinen synchron das Feld bearbeiten. Per Funk sind sie über Smartphone, Tablet oder Funkgerät steuerbar. © Feldschwarm Ökosystem

Sie waren bereits am Vorgängerprojekt, dem Wachstumskern „Feldschwarm“, beteiligt. Warum ist die automatische Bodenbearbeitung für Landwirte gerade so relevant?

Wir haben im Wachstumskern Feldschwarm bereits eine autarke Landmaschine gebaut, die wir zum Abschluss des Vorhabens in Aktion zeigen konnten. Die Landwirte sind sehr interessiert daran. Ihnen geht es nicht allein darum, den Acker automatisch zu bearbeiten, sondern sie müssen vor allem ein großes Problem lösen: den Fachkräftemangel.

Was wollen Sie mit dem RUBIN-Bündnis „Feldschwarm-Ökosystem“ erreichen?

Wir wollen den Landwirten eine neue Technologie in die Hand geben, ein innovatives Steuerungssystem, das sich einfach bedienen lässt und sicher ist. Damit können sie ihren vorhandenen Fuhrpark nutzen und dennoch von der Automatisierung profitieren. Man muss sich das wie ein Assistenzsystem vorstellen. Wir bauen das in bestehende Fahrzeuge ein und die können dann selbstständig arbeiten, also zum Beispiel pflügen, Unkraut jäten oder ernten. Die Technologie soll herstellerübergreifend sein. Das heißt, wir können Maschinen von allen Herstellern damit ausstatten. Damit wollen wir erreichen, dass der Landwirt seine vorhandenen kleinen Maschinen im Schwarm nutzt. Das bedeutet, dass mehrere Maschinen gleichzeitig im Einsatz sind. So kann er den Boden genauso effizient und sehr viel schonender bearbeiten, als mit großen, schweren Maschinen. Außerdem spart er sich die Anschaffung neuer Maschinen.

Was ist der Vorteil eines solchen Schwarmes an kleineren Landmaschinen?

Moderne Landmaschinen sind heute riesengroß. Sie zerstören den Boden, weil sie einfach viel zu schwer geworden sind. Die Lösung, auch um Sprit zu sparen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren, kann nur sein, dass man viele kleine Landmaschinen im Schwarm einsetzt. Sie sind sehr viel leichter und können gemeinsam den Acker bearbeiten, indem sie über eine Kommunikationstechnologie verbunden sind.

Das heißt, der automatisierte Schwarmbetrieb schützt auch die Natur?

Auf jeden Fall. Auch weil wir neuartige Bearbeitungstechnologien entwickeln, zum Beispiel Unkraut hacken, statt mit Pflanzenschutzmitteln zu arbeiten. Wir unterstützen ein Diversitätsmanagement. Das heißt, die Felder können gleichzeitig in verschiedene Fruchtarten aufgeteilt werden, was für den Boden sehr viel besser ist als die aktuellen Konzepte der Monokultur. Mit einzelnen, sehr großen Maschinen ist das gar nicht möglich. Damit gewinnt die Landwirtschaft eine neue Flexibilität.

Welche Technologien, außer der Steuerung, planen Sie noch für die automatisierte Bodenbearbeitung?

Der Landwirt muss das Geschehen auf dem Acker überwachen können. Er soll im Schwarmbetrieb den Überblick behalten. Wir entwickeln dafür die Möglichkeit einer Fernüberwachung, zum Beispiel mit Drohnen und Kameras. Mit speziellen Sensoren sollen außerdem die Arbeitsprozesse live überwacht werden. Das muss der Landwirt dann nicht mehr persönlich machen.

Wie sollen landwirtschaftliche Betriebe an die neuen Technologien herangeführt werden?

Wir wollen den Landwirten einen Service bieten und sie gut vorbereiten auf die Technologien, die wir entwickeln. Dafür streben wir den Schulterschluss mit dem WIR!-Bündnis DMPL an, das sich um die Digitalisierung der Landwirtschaft und das Smart Farming kümmert. Da wir in derselben Region sind, könnten wir schon während der Projektlaufzeit erste gemeinsame Tests machen.

Wann könnten die neuen Technologien in die Anwendung kommen?

Der Weg bis zur Anwendung ist nicht weit. Ich gehe davon aus, dass es ab Projektstart vier bis fünf Jahre dauern würde. Vor allem die Softwarelösungen, die wir entwickeln wollen, können wir schnell zur Serienreife bringen.

Können sich Landwirte die Technologien, die Sie entwickeln wollen, auch leisten?

Wir haben einen 10-Jahres-Business-Plan aufgestellt mit Produktkonzepten von allen Industriepartnern unseres Bündnisses, um Verwertungsstrategien aufzuzeigen. Dafür haben wir die Kosten für die Hard- und Software ausgerechnet und liegen unterhalb der Ausgaben für eine Arbeitskraft pro Jahr. Somit hätten die Landwirte ihre Investitionen relativ schnell wieder reingeholt.

Wie wollen Sie Skeptiker überzeugen?

Wir sind überzeugt davon, dass wir niemanden überreden müssen, sondern alle fragen: Wie schnell könnt ihr das liefern? Und wir sehen eine riesige Chance für die Region Sachsen-Thüringen, eine spezielle Kompetenz aufzubauen und nachhaltig Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt dort viel Landwirtschaft, aber auch Universitäten und Forschungseinrichtungen – perfekte Voraussetzungen für den Aufbau eines zukunftsweisenden Wirtschaftszweiges.