Sparsam, flexibel und schnell – Leichtbau auf neuem Niveau

Der Wachstumskern thermoPre plus hat eine bahnbrechende Produktionstechnologie für leichte, recycelbare Bauteile entwickelt. Die Innovation aus Chemnitz interessiert nicht nur die Automobilbranche.

Jörg Bredemeyer (rechts) und Sebastian Nendel mit einer sogenannten Halbzeugstruktur, die aus thermoplastischen Tapes auf Basis der effiLOAD-Technologie hergestellt worden ist.
Jörg Bredemeyer (rechts) und Sebastian Nendel mit einer sogenannten Halbzeugstruktur, die aus thermoplastischen Tapes auf Basis der effiLOAD-Technologie hergestellt worden ist. © PRpetuum, Petra Dahl

 In der riesigen Halle des Industrie- und Technologieparks Chemnitz rattern überall Maschinen. Große Rollen werden bewegt, Fasern und Seile sind gespannt. Fraunhofer-Institute, die Technische Universität und andere Forschungseinrichtungen der Stadt haben hier ihre Versuchsanlagen. Zu DDR-Zeiten hat der damals größte osteuropäische Maschinenbauer, der VEB Werkzeugmaschinenbau Fritz Heckert, in der 3.000 Quadratmeter großen Halle Maschinen hergestellt. Jetzt testen hier Ingenieurinnen und Ingenieure Technologien für die Zukunft. Eine davon ist in einem Projekt des Wachstumskerns thermoPre plus entstanden: die effiLOAD-Technologie.

Textile Technologien und thermoplastisches Material

Im Rahmen des Wachstumskerns thermoPre plus ist diese Produktionsanlage für die neue, großserientaugliche effiLOAD-Technologie entwickelt und gebaut worden.
Im Rahmen des Wachstumskerns thermoPre plus ist diese Produktionsanlage für die neue, großserientaugliche effiLOAD-Technologie entwickelt und gebaut worden. © thermoPre plus

„Die effiLOAD-Technologie ist eine großserientaugliche Technologie, zur kontinuierlichen Herstellung von Halbzeugstrukturen“, sagt Sebastian Nendel, Geschäftsführer des an der Entwicklung beteiligten Chemnitzer Instituts Cetex gGmbH. Eine Halbzeugstruktur ist eine halbfertige Struktur, die zwar schon die gewünschte geometrische Form hat, aber erst danach zum fertigen Bauteil verarbeitet wird. Auf einem Förderband werden dafür Tapes aus thermoplastischem, also durch Wärme formbarem, Material automatisch in einer vorher bestimmten Form abgelegt. Die Tapes sind mit Glas- oder Kohlenstoff-Fasern verstärkt und lassen sich, wie Garne auf einer Textilmaschine, kontinuierlich abrollen. Dabei werden so viele thermoplastische Bänder in verschiedene Richtungen neben- und übereinander gelegt wie nötig. „In den Bereichen, wo die größten Belastungen auftreten, werden noch einmal zusätzlich Verstärkungsstrukturen aufgebracht“, so Nendel. Die Technik ist „lastpfadgerecht“: Dort wo die größten Lasten auftreten, kommt am meisten Material hin. Zum Schluss erwärmt ein Infrarotstrahler die abgelegten Bänder und eine Walze drückt sie an – fertig ist die Halbzeugstruktur.

Sächsische Ideen für Made in Germany

Dieses Teil einer Transporter-Hecktür ist zu Demonstrationszwecken mit der effiLOAD-Technologie produziert worden. Es ist ein Drittel leichter als dasselbe Bauteil aus Stahl.
Dieses Teil einer Transporter-Hecktür ist zu Demonstrationszwecken mit der effiLOAD-Technologie produziert worden. Es ist ein Drittel leichter als dasselbe Bauteil aus Stahl. © thermoPre plus

Ein entscheidender Vorteil: der gesamte Prozess läuft kontinuierlich und vollautomatisch ab. „Vieles wird heute mit hohem manuellem Aufwand zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten hergestellt, wie zum Beispiel Windräder“, erläutert Jörg Bredemeyer von der Schmietex Engineering GmbH in Hohenstein-Ernstthal und Projektleiter im Wachstumskern. „Um ein Bauteil herzustellen, sind sehr viele Arbeitskräfte notwendig, die es aber in Europa nicht gibt. Das führt dazu, dass Bauteile in anderen Teilen der Welt produziert werden. Wir wollen aber, dass die Hochleistungsprodukte hier hergestellt werden, wo sie gebraucht werden.“ Mit dem automatisierten Prozess von thermoPre plus kann das gelingen. Denn die im Wachstumskern entwickelte und gebaute Anlage schafft mit der effiLoad-Technologie eine Geschwindigkeit von bis zu acht Metern pro Minute. „Damit sind Stückzahlen von mehr als 500.000 pro Jahr möglich, bei kleinen Teilen sogar bis zu über eine Million pro Jahr“, sagt Sebastian Nendel.

Ressourcenschonend und recycelbar

Noch ist die Anlage klein und dient ausschließlich zu Demonstrationszwecken, aber im Rahmen des Wachstumskerns sind damit schon Probeteile produziert worden, wie zum Beispiel ein Bauteil für eine Transporter-Hecktür. Die Herstellung mit thermoplastischen Tapes statt Stahl ermöglicht Gewichtseinsparungen von 35 Prozent. Außerdem verkürzt sich der Produktionsprozess mit der automatisierten effiLoad-Technologie um über 40 Prozent. Hinzu kommt eine Materialersparnis von bis zu 70 Prozent. Denn die Tape-Legemethode ist so nah an der finalen Form des Bauteils, dass es kaum Verschnitt gibt – ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden wie Pressen oder Spritzgießen. Das spart Kosten und reduziert den CO2-Ausstoß für die Herstellung eines Bauteils. Betrachtet man dessen gesamte Lebensspanne, sieht die CO2-Bilanz sogar noch besser aus, denn das Material lässt sich sehr gut recyceln. „Viele Materialien, die heute genutzt werden, wie zum Beispiel für Rotorblätter von Windrädern, sind duroplastische Materialien. Die härten einmal aus und behalten dann ihre Struktur“, erläutert Sebastian Nendel. „Das Recycling dieser Materialien ist sehr aufwendig und energieintensiv. Thermoplaste dagegen kann man einfach wieder erwärmen und in die gewünschte Form bringen.“

Kurz vor der Anwendung

Da die neue Herstellungstechnologie nicht nur effizient, sondern auch offen ist für verschiedene Materialkombinationen, gibt es viele potenzielle Nutzer. Schon jetzt haben Automobilbauer, Hersteller von Schienenfahrzeugen, die Luft- und Raumfahrt-Industrie und sogar Bootsbauer Interesse an der effiLoad-Technologie gezeigt. Für den klassischen Textilmaschinenbauer Schmietex eröffnen sich damit ganz neue Möglichkeiten. „Durch dieses Knowhow haben wir jetzt auch Anfragen für andere Anlagen bekommen“, sagt Jörg Bredemeyer. „Damit haben wir uns ein neues Geschäftsfeld erschlossen, das über die klassische Textilmaschine hinausgeht.“ Bevor die Anlage bereit ist für die Großserienfertigung, ist allerdings noch einiges zu tun. Damit die einzelnen Komponenten zusammenarbeiten, muss deren Software vernetzt werden. Außerdem wollen Jörg Bredemeyer und Sebastian Nendel mit ihrem Team im nächsten Jahr verschiedene Bauteil-Formen und -Materialien testen. Doch die Chancen stehen gut, dass die Technologie schon bald in die Anwendung kommt.