Die Schrottsammlerin : Datum:

Heimische Vorkommen können den Materialbedarf vieler Hightech-Produkte oft nicht decken. Einen „Schatz“ nennt Alexandra Kibbe deshalb alte Handys und anderen Elektroschrott. Die Umweltpsychologin will die Menschen zum Recycling motivieren.

Alexandra Kibbe mit alten Handys an ihrem Schreibtisch
Die alten Handys sammelt Umweltpsychologin Alexandra Kibbe für ein Schulprojekt. © PRpetuum GmbH

„Meine Familie gibt mir ausgediente Staubsauger mit und Toaster und sämtliche andere Kleingeräte, weil alle wissen, dass ich mich mit der Entsorgung von Wertstoffen beschäftige“, sagt Alexandra Kibbe. Allerdings: Die Sozialpsychologin beschäftigt sich eher von der Bewusstseins-Seite her mit diesem Thema. Lädt aber trotzdem, beziehungsweise gerade deswegen, bereitwillig den Elektroschrott in ihr Auto und bringt ihn zum Wertstoffhof. Nur die alten Handys behält sie. „Sie enthalten seltene Erden, sind demzufolge wortwörtliche Schätze und kommen demnächst in einem Schulprojekt zum Einsatz“, sagt Alexandra Kibbe. Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Halberstadt wird mit seinen Klassenstufen sieben bis neun an einem Projekt der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg teilnehmen. Alexandra Kibbe und ihr Team entwickeln Unterrichtseinheiten, die den Schülern Denkanstöße zum Thema Elektro-Recycling geben sollen. Die junge Wissenschaftlerin spricht von der Steigerung der inneren, der „intrinsischen Motivation“ zum nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen. Sie ist Expertin auf diesem Gebiet und hat in ihrer Doktorarbeit zwei theoretische Modelle zur Umweltschutzmotivation miteinander verglichen.

Wertstoffwende im Kopf

Alexandra Kibbe ist verantwortlich für den Part, den die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zum Zwanzig20-Forum „Recycling 2.0 – die Wertstoffwende“ beiträgt. „Die Magdeburger Uni hat einen weitreichend guten Ruf auf dem Gebiet der Umweltpsychologie“, sagt die junge Wissenschaftlerin. Gleichermaßen an Psychologie und Umweltthemen interessiert fiel ihr die Entscheidung leicht, zum Studium in der Heimatregion zu bleiben. Und sie fand Gefallen an der wissenschaftlichen Arbeit. Ein Jahr Wartezeit auf eine Doktorandenstelle überbrückte sie mit einem Forschungsaufenthalt an der Universität Bayreuth. Von dort brachte sie Erfahrungen in der Projektarbeit mit zurück nach Magdeburg.

Als mittlerweile wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität ist das Einwerben von Projekten für die 32-Jährige eine Grundanforderung. Zum Zwanzig20-Forum „Recycling 2.0 – die Wertstoffwende“ kam sie durch die enge Verbindung ihrer Arbeitsgruppe „Sozial- und Persönlichkeitspsychologie“ zur Forschungsgruppe „Recyclingtechnik“ an der Hochschule Nordhausen. „Auf dem Weg zur Wertstoffwende stehen eben nicht nur technologische Hürden“, sagt Alexandra Kibbe. Ebenso seien auch Hürden im Bewusstsein zu nehmen, bis man sich positiv motiviert mit den Themen Rohstoffrecycling und -verwertung auseinandersetze. Aus diesem Grunde habe Recycling 2.0 auch die Psychologen mit im Boot.

Alexandra Kibbe mit einer Sammelbox für Fragebögen
Befragungen zum Umweltverhalten gehören zum Aufgabenfeld von Alexandra Kibbe im Zwanzig20-Forum „Recycling 2.0“. © PRpetuum GmbH

Wissen plus Emotionen

Die Informations- und Kommunikationstechnologien, die Energie- und Umwelttechnologien und die Mobilität erfordern eine riesige Materialvielfalt, die mit heimischen Rohstoffen nicht abzudecken ist – das ist der Hintergrund für das gemeinsame Forschungsvorhaben. „Wenn sich Deutschland nicht gänzlich von Importen abhängig machen will, deren Abbau schwierig ist und die zudem oft aus gesellschaftlichen Krisengebieten stammen, müssen zunehmend unsere Sekundärrohstoffe hier zu Hause genutzt werden“, sagt Alexandra Kibbe. Was im Umkehrschluss für die Sozialpsychologin bedeutet: Sie will auch ihren beruflichen Beitrag leisten, um die Rückführung von Elektroabfällen aus Haushalten und Betrieben im großen Umfang zu optimieren.

Was aber hindert viele Menschen daran, ihren Elektroschrott so zu entsorgen, dass er wieder in den Verwertungskreis zurück gelangt? Für die Psychologin ist das eine spannende Frage. „Die innere Motivation zum Umweltschutz und der beim Recycling anfallende Aufwand beeinflussen das Verhalten. Ein höherer Aufwand muss mit einer entsprechend hohen Motivation kompensiert werden“, sagt sie. Ihr Team beschäftigt sich damit, wie sich beides gegenseitig bedingt und auf die Rückführung der Wertstoffe auswirkt.

Aus dem ewigen Alltagsstress heraus würden wohl die meisten für so wenig Aufwand wie möglich plädieren, etwa für einen Wertstoffcontainer in der Straße? „Es gibt aber auch Faktoren, die die Motivation erhöhen können“, entgegnet Alexandra Kibbe und nennt etwa das Gruppenverhalten als soziale Motivation oder die Vergütung als finanzielle. Was allerdings oft keinen nachhaltigen Einfluss auf die innere Einstellung habe, sagt die Wissenschaftlerin. Sie hält ein profundes Umweltwissen, gepaart mit einer emotionalen Komponente, bestens dafür geeignet, die reine innere Motivation zu festigen – und kommt auf entsprechende Bildungsprogramme zurück, die am besten in Schulen angesiedelt wären. Denn Einstellungen lassen sich vermutlich im Jugendalter am besten fördern und verfestigen.

Recycling in Virtual Reality

Keine Frage, dass die emotionale Komponente gerade bei 13- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern eine wichtige Rolle spielt, wenn man sie für das sperrige Thema „Recycling als Schlüsseltechnologie zur Rohstoffsicherung“ interessieren will. Alexandra Kibbe und ihr Team wollen die Technikaffinität der Jugendlichen ansprechen und mit ihnen per Virtual Reality-Brille in den Lebenszyklus eines Handys eintauchen. „Wir wollen nachverfolgen, welchen Weg die wertvollen Materialien in einem Handy bis zu ihrer Wiederverwertung, etwa in der Batterie eine Elektroautos, gehen“, sagt sie und öffnet die Schatztruhe für den Unterricht. Der Wertstoffkoffer wurde vom BMBF mitentwickelt und ist gefüllt mit den seltenen Mineralien und Erzen, die in einem Handy verarbeitet sind.

Weitere Informationen

Zwanzig20-Forum Recycling 2.0